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Malevil

Malevil

Titel: Malevil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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nehmen will). Ich lege ihnen meinen Standpunkt dar. Ich befürchte einen bewaffneten Konflikt mit La Roque,
     dies und nichts anderes steckt dahinter. Und ich möchte Fulbert nicht den geringsten – materiellen oder religiösen – Vorwand
     bieten, den Konflikt anzuzetteln. Deshalb trete ich ihm die Kuh ab und richte mich darauf ein, seine Feuerkraft zu schwächen.
     Und darum auch schließe ich mich der Religion der Mehrheit an. Es ist ein Kompromiß. Und einen Kompromiß, Meyssonnier, solltest
     du immerhin verstehen. Deine Partei ist im Laufe der Zeit manchen Kompromiß eingegangen. (Meys sonnier blinzelt.) Was Fulbert anbelangt, bin ich nahezu sicher, daß er kein Priester ist. Den rothaarigen Seminaristen namens Serrurier
     habe ich vom Scheitel bis zur Sohle erfunden, und doch hat sich Fulbert seiner erinnert! Kurzum, ein Betrüger, ein Abenteurer,
     ein völlig skrupelloser Mensch. Aber um so gefährlicher! Wenn ihr gescheit seid, du und Thomas, geht ihr auch die Messe hören.
     Da Fulbert kein Priester ist, ist es ja doch keine richtige Messe.
    Weiter, glaube ich, darf ich mit meinen Überredungskünsten nicht gehen, aber ich koste insgeheim diesen Gipfel der Ironie
     aus: daß ich sie überrede, an der Messe teilzunehmen, indem ich ihnen versichere, daß sie »falsch« ist.
    Gerade in diesem Moment wird an der Zimmertür gekratzt. |249| Nicht geklopft, gekratzt. Ich mache keine Bewegung, schaue meine beiden Gäste an, dann auf die Uhr. Ein Uhr morgens. Stille,
     und abermals ein Kratzen. Ich nehme meinen Karabiner vom Gewehrständer, gebe Meyssonnier und Thomas einen Wink, sich zu bewaffnen,
     schiebe den Riegel zurück und öffne, kaum einen Spalt breit, die Tür. Es ist Miette.
    Nach einem Lächeln für Thomas, den sie hier zu finden erwartete, und für Meyssonnier, dessen Anwesenheit sie überrascht, fängt
     sie sofort mit Händen, Lippen, Augen und Augenbrauen, mit Oberkörper, Beinen und sogar mit ihrem Haar zu reden an. Es ist
     eine selbstentwickelte Methode, sie hat nichts mit der Gebärdensprache der Taubstummen zu tun, die sie niemals gelernt hat
     und die ich überdies nicht verstünde. Sie teilt mir überraschende Dinge mit. Fulbert hat sie, als sie ihn nach dem Essen in
     ihr Zimmer begleitete, aufgefordert, zu ihm zu kommen, wenn alle anderen eingeschlafen sind. Zum Schlafen, vermutet sie (eine
     Gebärde von unbeschreiblicher Derbheit). Da sie Licht bei mir gesehen hat (sie hebt den kleinen Finger der rechten Hand und
     beschreibt mit der anderen Hand einen Strahlenkranz um die Spitze des kleinen Fingers), ist sie heraufgestiegen, um mich zu
     fragen, ob ich einverstanden sei.
    »Ich bin nicht dagegen«, sage ich schließlich. »Tu, was du möchtest, Miette. Niemand zwingt dich.«
    Schön, sagt ihre Mimik, dann tu ich’s aus Höflichkeit und Freundlichkeit. Aber ohne jede Begeisterung.
    »Gefällt er dir nicht, Miette?«
    Schielen und Händefalten (Fulbert), dann die rechte Hand auf ihr Herz, und schließlich wird der Zeigefinger ebendieser Hand
     kräftig vor ihrem Gesicht hin und her bewegt. Worauf sie den Raum verläßt und die Tür hinter sich zumacht. Wir drei bleiben
     vor der geschlossenen Tür stehen.
    »Das ist mir einer!« sagt Thomas.
    »Du hättest dagegen sein können«, sagt Meyssonnier hart und runzelt die Stirn.
    Ich zucke die Achseln.
    »Worauf soll ich mich berufen? Du kennst unseren Grundsatz, sie tun zu lassen, was sie möchte.«
    Ich betrachte sie mir. Sie sind wütend und verletzt wie betrogene Ehemänner. Eine paradoxe und vielleicht sogar etwas komische
     Empfindung, denn untereinander sind wir schließlich |250| nicht eifersüchtig. Vermutlich weil alles innerhalb der Gruppe, offen und mit Wissen aller geschieht. Da gibt es weder Betrug
     noch gar Schamlosigkeit. Unser Übereinkommen bewährt sich, selbst als Institution. Während Fulbert nicht nur nicht zu unserer
     Gruppe gehört, sondern auch mit unübertroffener Heimtücke vorgegangen ist. Thomas und Meyssonnier erinnern mich daran, daß
     sie, wäre Miette nicht so loyal gewesen, von ihrem »Ehebruch« gar nichts erfahren hätten. Das Wort sprechen sie nicht aus,
     aber die Sache selbst liegt ihrem Denken nicht sehr fern. Man braucht nur zu sehen, wie sie vor Wut kochen.
    »So ein Lump!« sagt Meyssonnier.
    Thomas gibt seine unbeteiligte Haltung endlich einmal auf und stimmt ihm zu.
    »Auf jeden Fall«, sagt Meyssonnier in drohendem Ton, »wirst du was erleben, wenn ich Colin und Peyssou gleich. morgen

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