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Malevil

Malevil

Titel: Malevil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Zauberwirkung jahrtausendealter
     Formeln! Mein Sprichwort hat die Einhelligkeit hergestellt. Fulbertisten und Antifulbertisten sind einer Meinung. Nur hinsichtlich
     der Identität des faulen Apfels gehen wir auseinander. Für die einen ist er genau zu bezeichnen, für die anderen nicht.
    Nach meinem Erfolg sage ich kein Wort mehr. Das Gespräch dreht sich im Kreise. Die Diskussion versandet. In den Stimmen, in
     den Haltungen, in der nervösen Erregung nehme ich jetzt die Müdigkeit wahr. Wenn sie müde werden, um so besser: Ich warte.
    Und ich warte nicht lange. Denn am Ende einer langen Pause wendet sich Colin an mich.
    »Na, und du, Emmanuel, was hältst du davon?«
    »Ach«, sage ich, »ich werde mich der allgemeinen Meinung anschließen.«
    Sie schauen mich an. Diese Bescheidenheit bringt sie aus der Fassung. Mit Ausnahme von Thomas, dessen Auge mich ironisch abschätzt.
     Doch Thomas wird nichts sagen. Er hat Fortschritte gemacht. Er ist klüger geworden. Ich bleibe still. Und worauf ich es anlegte:
     Sie lassen nicht locker.
    »Trotzdem, Emmanuel«, sagt der Peyssou, »du wirst doch wohl deine eigene Idee haben?«
    |245| »Freilich«, sage ich, »habe ich meine eigene Idee. Und meine eigene Idee ist vor allem die, daß man uns mit diesen Babys kirremachen
     möchte. (Das »man« ist natürlich der faule Apfel, aber noch immer unbezeichnet.) Denn könntest du dir vorstellen, Menou (hier
     gehe ich ins Patois über), daß du Momo noch als Baby auf dem Arm hättest und kein Tropfen Milch wäre da und du weigerst dich,
     ihn Menschen anzuvertrauen, die welche haben? Und hättest gar noch die Frechheit zu sagen: Nicht die Milch möchte ich für
     Momo haben, sondern die Kuh?«
    Damit habe ich nichts anderes gesagt als Thomas wenige Augenblicke zuvor. Aber konkret. Dieselben Blumen, doch nicht der gleiche
     Strauß. Ich habe ins Schwarze getroffen, das lese ich von den Gesichtern ab.
    »Schön«, sage ich nach einer Weile. »Wenn wir nach La Roque gehen, werden wir die Sache klären und die Mütter fragen. Bleibt,
     was ihr gesagt habt: Wir besitzen drei Kühe, die in La Roque nicht eine. Und stellt euch nun vor, wie man sie (das »man« noch
     immer nicht genau bezeichnet) aufgrund dessen gegen uns aufbringen und ihnen Gedanken einflüstern kann. Das können, wie ihr
     richtig sagt, nur schlechte Gedanken sein, denn die in La Roque sind zahlreicher als wir und besser bewaffnet.«
    Schweigen.
    »Dann meinst du, Emmanuel, man muß ihnen die Kuh schenken?« sagt der Peyssou, verdutzter denn je.
    Sofort protestiere ich.
    »Schenken? Aber nein! Niemals! Auf keinen Fall schenken. Wir wollen es doch nicht, wie Meyssonnier sagt, dazu kommen lassen,
     ihnen einen Zehnten zu entrichten! Wie wenn der ihnen zukäme! Wie wenn es das Recht der Stadt wäre, sich vom Lande gratis
     ernähren zu lassen! Das fehlte noch! Die in La Roque würden uns nicht mehr respektieren, wenn wir so blöd wären, ihnen eine
     Kuh zu schenken.«
    Die Blicke glänzen von gemeinschaftlicher Entrüstung. Völlige Einhelligkeit bei Fulbertisten und Antifulbertisten. Unzählige
     Generationen von Bauern unterstützen mich, sind auf meiner Seite und treiben mich an.
    Ich spüre festen Boden unter den Füßen und wage mich weiter vor.
    »Meiner Ansicht nach muß man sie die Kuh bezahlen lassen. |246| Und zwar teuer! Da wir ja nicht aufs Verkaufen aus sind. Sie aber wollen kaufen.«
    Ich lasse eine Pause eintreten und zwinkere ihnen schamlos zu, als wollte ich sagen: Nicht umsonst bin ich der Neffe eines
     Roßtäuschers und selber Roßtäuscher. Wort für Wort betonend, sage ich: »Für unsere Kuh werden wir zwei Pferde sowie drei Gewehre
     und fünfhundert Patronen verlangen.«
    Ich schiebe abermals eine Pause ein, damit die Maßlosigkeit meiner Forderungen besser zur Geltung kommt. Schweigen. Lebhaftes
     Beratschlagen durch Blicke. Mein Erfolg – darauf war ich gefaßt – ist ziemlich herabgemindert.
    »Was die Gewehre betrifft, verstehe ich«, sagt Colin. »Sie haben zehn, wir nehmen ihnen drei ab. Es bleiben ihnen sieben.
     Mit unseren vier Flinten und den drei, die wir ihnen abnehmen, haben auch wir sieben. Wir sind also gleich stark. Und die
     Patronen, das ist auch ein guter Gedanke, da wir ja so wenig davon haben.«
    Schweigen. Ich blicke sie an. Keiner würde es freiwillig äußern, doch für den ersten Teil des Tauschhandels haben sie kein
     Verständnis. Ich fühle mich recht müde, aber ich gebe mir einen Ruck und nehme wieder das

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