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Malevil

Malevil

Titel: Malevil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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der ihre Sprache nicht kennt, gefährlich. Er versteifte
     sich, und als arroganter Geldmann stellte er mir |323| den Handel anheim. Entweder alle fünf oder gar nichts. Ich überließ sie ihm. Anders gesagt, er mußte einen guten Preis dafür
     bezahlen.
    Ich dachte, Lormiaux würde es müde werden, Tiere in seinem Stall zu halten, denen er seine Haut nicht anzuvertrauen wagen
     durfte. Aber keineswegs. Sie brachten ihm Ruhm ein. Während des Sommers 76 bat er Birgitta zweimal, sie vor seinen Gästen
     zu reiten. Er bezahlte ihr für jede Veranstaltung zweihundert Francs. Freilich brachte die Vorführung Stürze mit sich. Für
     diesen Preis aber wäre Birgitta, die nicht uneigennützig war, gern jeden Nachmittag gestürzt.
    Die Leute von La Roque standen auf der Schloßterrasse, als ich mit Morgane am Zügel auf den Vorplatz kam und Armand mit Mélusine
     folgte. Ich trat an die Zuschauer heran und ermahnte sie, sich nicht zu rühren und nicht zu schreien, wenn ich stürzen sollte.
     Überflüssige Ermahnung. – Heute ersetzte ich das Fernsehen, und die Menschen von La Roque hatten sich bereits ganz auf ihre
     fromme Zuschauerpassivität eingerichtet. Ihre kindische Glückseligkeit, ihre Magerkeit und die verstohlenen Blicke, die sie
     – als fühlten sie sich schuldig, weil sie sich zerstreuten – unablässig auf Fulbert richteten, preßten mir das Herz zusammen.
    Der Tag des Ereignisses hatte den Rasen der Esplanade versengt, aber nicht zerstört, und auf dieser Strohmatte ließ ich Schritt
     für Schritt Morgane zwei Runden machen, wobei ich mit Augen und Füßen die Beschaffenheit des Terrains abtastete. Es war nicht
     schlecht, der Regen hatte die Erde aufgeweicht, ohne daß sie schwammig geworden wäre. Ich stieg in den Sattel und führte zwei
     Runden im Schritt aus, dann eine dritte Runde mit einer ganzen Serie von Volten, um mich zu vergewissern, daß Morgane nichts
     von ihrer Dressur vergessen hatte. Ich begann die vierte Runde und gab Morgane die Zeichen für ihre Nummer. Ich drückte ihr
     die Beine in die Flanken, raffte beide Zügel in der linken Hand zusammen und riß plötzlich, den Schenkeldruck verstärkend,
     die rechte Hand nach vorn in die Höhe: Morgane begann nun eine Reihe von verblüffenden Kapriolen auszuführen, die bei den
     Zuschauern den Eindruck erweckten, daß sie mich aus dem Sattel zu werfen suchte. In Wirklichkeit tat sie nichts anderes, als
     daß sie mir gehorchte. Und obgleich ich stark durchgerüttelt wurde, |324| lief ich auch in dem Moment keinerlei Gefahr, als ich mit meinem rechten Arm verzweifelt in der Luft herumfuchtelte, als könnte
     ich mich nur mit der allergrößten Mühe auf dem Rücken eines wilden Pferdes halten.
    Ich führte drei Serien von Kapriolen, unterbrochen von Phasen der Beruhigung, aus, und nach einer Runde im Schritt stieg ich
     ab.
    Fulbert, der sich, von Fabrelâtre und Gazel flankiert, in die erste Reihe gestellt hatte, rief mir, an die steinerne Brüstung
     gelehnt, mit gütiger Miene ein kurzes Bravo zu und machte eine Gebärde, als klatschte er in die Hände. Nun geschah etwas Unerwartetes.
     Fulbert wurde von der Begeisterung der Leute von La Roque überrollt. Sie applaudierten, als sollten die Mauern einstürzen,
     und setzten ihr beifälliges Klatschen noch lange, nachdem er seine höfliche Scheinhandlung beendet hatte, beharrlich fort.
     Ich war damit beschäftigt, bei Mélusine die Länge der Steigbügel einzurichten, und zog diese Arbeit in die Länge, um Fulbert
     verstohlen zu beobachten. Er war bleich, preßte die Lippen zusammen und blickte beunruhigt umher. Je beharrlicher geklatscht
     wurde – in der Tat in keinem Verhältnis zu dem kurzen Schauspiel, das ich eben geboten hatte –, desto mehr mußte er den Eindruck
     gewinnen, daß sich der Applaus immer mehr gegen ihn richtete.
    Ich setzte mich in den Sattel. Bei Mélusine war die Sache für mich anders. Ihre Nummer bestand darin, zu stürzen. Was für
     ein gutes und schönes Tier, diese Mélusine! Und wieviel Geld mußte sie für ihren Kaskadeur verdient haben, wenn sie bei der
     Dreharbeit an einem Schlachtenfilm unter den Kugeln des Gegners zusammenbrach. Die Vorübungen waren ziemlich ausgedehnt. Alle
     ihre Muskeln mußten warm sein, bevor sie ohne Gefahr stürzen konnte. Sobald ich spürte, daß sie warmgelaufen war, nahm ich
     die Füße von den Steigbügeln und kreuzte die Riemen vor dem Sattel. Um zu verhindern, daß Mélusine sich mit den Füßen verfing,
    

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