Malevil
verkürzte ich die Zügel durch einen Knoten. Danach setzte ich die Stute in Galopp. Ich hatte mich entschieden, sie in der
Kurve vor der Geraden nächst dem Schloß stürzen zu lassen, und wo diese Kurve anfing, zog ich in einem Moment den Zügel nach
links und beugte meinen Körper auf die andere Seite, was sie unweigerlich aus dem Gleichgewicht bringen mußte. Von der feindlichen |325| Kanonade gefällt, brach sie zusammen. Ich schoß über ihren Hals hinweg und wälzte mich nun auch auf dem Schlachtfeld. Ein
bestürztes Oh! war zu hören, dann ein Ah!, als ich wieder aufstand. Mélusine lag währenddessen wie tot hingestreckt auf der
Seite, sogar ihr Kopf lag mit geschlossenen Augen auf dem Erdboden. Ich trat auf sie zu, griff nach den Zügeln und schnalzte
mit der Zunge: Sie stand sofort auf.
Ich ließ es bei zwei Stürzen bewenden, zumal der zweite nicht der sanfteste war: Jetzt hatte ich Catie genug Zeit gelassen
und die Menschen von La Roque zur Genüge unterhalten. Ich stieg ab. Nicht ohne Bosheit und eine etwas herausfordernde Miene
überließ ich Armand die Zügel, der sie aus Selbstgefälligkeit annahm. Da er bereits Morgane hielt, fand er sich nun an beiden
Händen behindert.
Wahnsinnige Begeisterung. Der Beifall überstieg an Intensität – ich möchte sogar sagen, an gewollter Heftigkeit – den Applaus,
mit dem meine erste Nummer aufgenommen worden war. Und teils, weil sie Armand zeitweilig neutralisiert sahen, teils auch,
weil ihnen sportliche Begeisterung ein bequemes Alibi verschaffte, stürmten die Leute von La Roque die Treppe hinunter und
überfluteten die Esplanade, um mich unter Jubelrufen zu umringen. Fulbert blieb, von Gazel und Fabrelâtre flankiert, allein
auf der Terrasse zurück, ein lächerliches isoliertes Grüppchen. Armand war allerdings auf dem Vorplatz, hatte aber vollauf
mit seinen beiden Tieren zu tun; die plötzliche Vorwärtsbewegung der Menge hatte sie scheu gemacht, er kämpfte sich mit ihnen
ab und kehrte mir den Rücken zu. Durch seine Behinderung kühn geworden, begnügten sich die Leute von La Roque nicht mit dem
Applaudieren, sondern fingen auch noch an, meinen Namen zu skandieren, als wollten sie mich zu ihrem Tribunen machen. Einzelne,
wiewohl darauf bedacht, von Fulbert nicht gesehen zu werden, der still und stumm, aber mit aufmerksamen, wetterleuchtenden
Augen auf der Terrasse stand, riefen sogar absichtsvoll: »Wir danken für die Zuteilung, Emmanuel!«
Die Situation hatte etwas verstohlen Aufrührerisches, das mich frappierte. Es kam mir der Gedanke, sie zu nutzen, um Fulberts
Macht auf der Stelle zu stürzen, doch Armand war bewaffnet. Ich hatte meine Flinte vor dem Aufsitzen Colin anvertraut, und
der unterhielt sich mit Agnès Pimont. Thomas war in |326| Gedanken versunken. Und Jacquet sah ich nirgends. Ich dachte auch und denke es noch immer, daß so eine Geschichte nicht zu
improvisieren ist. Ich trennte mich von der Menge und ging auf Fulbert zu.
Er kam mir, mit Fabrelâtre und Gazel hinter sich, über die Terrassentreppe entgegen, hielt dabei aber sein tiefliegendes Auge
nicht auf mich, sondern gebieterisch auf die Menschen von La Roque gerichtet, die mich noch vor einer Sekunde umringt und
mir zugejubelt hatten und jetzt, bei seiner Annäherung, still wurden und sich entfernten. Er gratulierte mir kühl, aber ohne
mich anzublicken, denn seine Augen waren vollauf beschäftigt, die Leute von La Roque zu beobachten, um seine Herde auf den
rechten Weg zurückzubringen. So verhaßt er mir war, ich muß gestehen, daß ich seine gelassene Ruhe und seine Ausstrahlung
bewunderte. Er begleitete mich schweigend bis ans Schloßtor, nicht weiter. Man hätte meinen können, es widerstrebte ihm, weiterzugehen
und sich, wenn ich fort wäre, inmitten seiner Pfarrkinder allein zu finden.
Beim Abschiednehmen war sein salbungsvolles Wesen verschwunden. Er erging sich nicht in schönen Worten und lud mich nicht
ein, ihn abermals zu besuchen. Kaum waren die letzten Einwohner von La Roque und die von Colin geführten Pferde draußen, ging
hinter ihnen das grüne Portal zu, und Fulbert, Gazel, Fabrelâtre und Armand blieben drinnen. Daraus schloß ich, daß der Rat
der Pfarrgemeinde unverzüglich zusammentreten wollte, um schnellstens ins Auge zu fassen, wie er sich der Schäfchen wieder
bemächtigen sollte.
Jacquet war uns mit dem Fuhrwerk und Malabar vorausgefahren und erwartete uns außerhalb des Ortes, weil er
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