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Malevil

Malevil

Titel: Malevil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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seiner Unzufriedenheit nichts merken. In sanfter Stimmung bewundert er das Kalb.
    »Es ist das erste Frischfleisch, das wir seit der Bombe essen werden«, sagt er mit seiner schönen Baritonstimme und läßt seinen
     Blick melancholisch über mich, über meine Gefährten und über die unablässig schweigenden Leute von La Roque gleiten. »Ich
     freue mich für uns alle. Was mich betrifft, du weißt, Emmanuel, habe ich sehr wenig Bedürfnisse. Du ahnst ja, daß ein Mensch
     in meinem Zustand, der schon mit einem Fuß im Grabe steht, nicht mehr viel zu sich nehmen kann. Anderseits aber betrachte
     ich mich, solange ich leben werde, als verantwortlich für die mageren Reserven von La Roque, und du wirst mich entschuldigen,
     wenn ich dir gegenüber knauserig damit bin.«
    »Geschenke sind Geschenke«, sage ich kalt. »Aber Tausch ist Tausch. Wenn der Warenaustausch zwischen Malevil und La Roque
     fortgesetzt werden soll, darf die Gegenleistung nicht lächerlich sein. Mir scheint, daß ich nicht zu anspruchsvoll bin, wenn
     ich für ein halbes Kalb zehn Kilogramm Zucker und fünfzehn Pakete Waschmittel verlange.«
    »Wir wollen sehen, Emmanuel«, sagt Fulbert mit sanfter Stimme. »Ich weiß nicht, wieviel Zucker wir noch haben (er wirft Gazel,
     der sprechen wollte, einen gebieterischen Blick zu), doch werden wir mehr als das Mögliche tun, um dich zufriedenzustellen,
     dich wenigstens annähernd zufriedenzustellen. Du hast dich bereits überzeugen können, daß wir hier in völliger Armut leben.
     Nicht zu vergleichen mit der Üppigkeit, die in Malevil herrscht. (Hier ein Blick des Einverständnisses mit seinen Pfarrkindern.)
     Du wirst entschuldigen müssen, daß wir dich nicht einmal zum Frühstück einladen können.«
    »Ich wollte ohnedies wieder aufbrechen, sobald ich die Pferde, die Flinten und die Krämerwaren bekommen habe. Vorher muß ich
     mir nur noch die Zeit nehmen, die Stuten ein wenig einzureiten.«
    Ich eröffne ihm, was ich auf der Schloßesplanade vorhabe.
    »Das ist ja ausgezeichnet!« sagt Fulbert, gleich bestochen von der Vorstellung, den wohltätigen Herrn spielen zu können, ohne
     daß es ihn etwas kostet. »Leider haben wir im Pfarrsprengel nur wenig Zerstreuungen. Deine Vorführung wird sehr willkommen
     sein, Emmanuel, wenn sie nicht zu gefährlich für dich |318| ist. Dann also los!« ruft er mit einer großherzigen, umfassenden Gebärde beider Arme, mit der er seine Schäfchen zu sich kommen
     läßt. »Da du ja in Eile bist, verlieren wir keine Zeit. Aber Catie sehe ich nicht«, fährt er fort, während Gazel und Armand
     auf ein Zeichen hin die Torflügel weit aufstoßen und die Leute von La Roque, um ein weniges munterer, aber ohne laut zu reden,
     die Allee zum Schloß hinaufgehen.
    »Evelyne hat einen Asthmaanfall, und Catie pflegt sie«, sage ich. »Ich habe vorhin davon reden hören.«
    Und um zu verhindern, daß er zurückbleibt, gehe ich schnellen Schrittes auf der Allee weiter.
    Ich möchte mir die Pferde als besten Happen bis zuletzt vorbehalten und bitte Fulbert, mir erst einmal die Flinten, die Patronen
     und die Krämerwaren auszuliefern. Fulbert vertraut mich den Bemühungen seines Vikars an, dem er vorher sein Schlüsselbund
     übergeben und leise ein paar Worte zugeflüstert hat. Jacquet und Colin folgen mir mit zwei großen Säcken.
    Ich weiß nicht, ob von dem berühmten amerikanischen Komikerpaar Laurel der große und Hardy der kleine ist, Gazel läßt mich
     jedenfalls an den dünneren denken. Er hat, gleich ihm, den langen Hals, das magere Gesicht, das spitze Kinn, die vorstehenden
     Augen, den albernen Gesichtsausdruck. Im Gegensatz zu seinem Doppelgänger sind seine ergrauenden Haare jedoch nicht struppig,
     sondern äußerst gepflegt und wie bei meinen Schwestern mit der Brennschere in Locken gelegt. Er hat schmale Schultern, eine
     dünne Taille und breite Hüften und ist in einen fleckenlos weißen Krankenpflegerkittel gehüllt, den er nicht in Höhe des Nabels,
     wie ein Mann getan hätte, sondern viel weiter oben zusammenschnürt. Seine Stimme ist weder maskulin noch feminin, sie ist
     neutral.
    An seiner Seite wandere ich durch einen endlos langen, marmorgepflasterten Gang des Schlosses.
    »Gazel«, sage ich, »ich glaube zu wissen, daß Fulbert die Absicht hat, dich zum Priester zu weihen.«
    »Nein, nein, nicht gerade das«, sagt Gazel mit seiner undefinierbaren Stimme. »Der Herr Pfarrer hat die Absicht, mich den
     Gläubigen von La Roque zur Wahl

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