Malevil
ist sozusagen das Gratisglas, wie bei der Adelaide. Dafür hat er Sammlung nötig. Und ich
nutze sein Schweigen aus, um Marcel einen Brief zu schreiben, den Pougès in dem Briefkasten am Turm hinterlegen wird, wovon
er dem Beteiligten nur einen Wink zu geben braucht. Damit wird er vermeiden, sich zu kompromittieren. In diesem Brief rate
ich Marcel, zwei Oppositionsbewegungen zu organisieren: die eine, offen und höflich, die Judith gegen Fulbert führt. Und die
andere, heimlich und beleidigend, gegen Fabrelâtre.
Von uns allen hatte Peyssou die größte Weitsicht gezeigt, als er sagte, das Getreide in den Rhunes habe den »Willen« aufzuholen.
Am 15. August, mit viel Verspätung freilich, waren die Ähren ausgebildet, um den 25. sind sie halbreif, als wiederum Peyssou
eines Nachmittags auf dem Feldrain nächst der Rhunes zertrampelte Halme, abgefressene Ähren und Pfotenspuren findet.
»Das«, sagt er, »ist ein Dachs, ein großer, da brauchst du bloß auf den Abstand der Pfoten zu achten.«
»Der Dachs«, sagt Colin, »frißt Mais oder Trauben.«
Peyssou zuckt die Achseln.
»Sag das nicht«, gibt er zur Antwort. »Wenn er nun keinen Mais hat? Das dreckige Vieh muß am Tag der Bombe in seinem Bau gesteckt
haben. So ein Dachs gräbt nämlich tief.«
»Und was soll er so lange gefressen haben?« fragt Jacquet. Nochmals Achselzucken bei Peyssou.
»Er hat nicht gefressen, er hat geschlafen.«
Ich denke, Peyssou hat recht. In unseren Gegenden, wo die Kälte mäßig und Nahrung leicht zu finden ist, tritt der Dachs freilich
keinen Winterschlaf mehr an. Aber für den Fall einer Hungersnot muß er sich doch die Fähigkeit bewahrt haben, in seinem Loch
unten auf Sparflamme umzuschalten und dort, bessere Tage abwartend, von seinen Fettreserven zu leben.
|359| Kriegsrat. Um den Dachs fernzuhalten, ließen wir es vorläufig damit bewenden, am Feldrand ein schwaches Feuer anzuzünden.
Das aber erscheint uns als Rache nicht ausreichend. Wir wollen das dreckige Vieh nicht nur fernhalten, wir wollen seine Haut.
Der Haß des Bauern gegen den Schädling, der ihm die Ernte streitig macht, bringt uns stärker denn je in Wallung.
In etwa zwanzig Schritt Entfernung von dem Getreidefeld bauen wir uns auf der Böschung des Hügels am andern Ufer der Rhunes
einen kleinen, in den Erdboden vertieften Unterstand mit einem Dach aus Rutenbündeln, das von vier Pfosten gestützt wird.
Das Dach soll den Jäger nicht nur verbergen, sondern auch vor Regen und Wind schützen. Und Meyssonnier, dem wir den Plan für
diesen Anstand verdanken, hat das Raffinement so weit getrieben, den Grabenboden mit einem grobgezimmerten Lattenrost auszulegen,
der uns von der Erde isoliert. Weil einem, sagt er, durch den Gummistiefel, sei er auch noch so dick, die Feuchtigkeit im
Körper hochsteigt.
Wir stellen Mannschaften zusammen, die abwechselnd die Nacht in unserem kleinen Bunker wachen sollen, und schließen da auch
die Frauen nicht aus, jedenfalls die jungen nicht, denen wir in diesen zwei Monaten das Schießen beigebracht haben und die
keineswegs schlecht damit zurechtkommen. Catie wird natürlich mit Thomas Wache halten. Und Miette, von der ich erwartet habe,
daß sie mich wählen würde, wählt Jacquet. Was Peyssou veranlaßt, Colin, und mich, Meyssonnier mitzunehmen. Daraufhin macht
mir Evelyne eine Szene – das hatte Miette wohl vorausgesehen – und beginnt angesichts meines Widerstandes sogar mit einem
Hungerstreik, der mich zur Kapitulation zwingt.
Acht Tage vergehen. Kein Dachs. Obwohl selbst übelriechend, muß er doch eine empfindliche Nase haben und hat uns zu wittern
vermocht. Freilich, von seinem Standpunkt aus stinken
wir
ihm vielleicht. Wie auch immer, wir bleiben weiter auf dem Anstand.
So geht, langsam wie ein Fluß, die Zeit hin. Das Tageslicht weckt mich am frühen Morgen. Seit es so schön ist, lasse ich das
Fenster offen. Beim Aufwachen liebe ich es, auf den Hügel drüben zu schauen und zu beobachten, wie die Vegetation fortschreitet.
Es ist unvorstellbar. Wer hätte noch vor zwei Monaten geglaubt, daß wir soviel Gras und soviel Laub zu sehen bekommen |360| würden. Letzteres nicht an den Bäumen – sehr wenige haben überlebt –, sondern an zahllosen kleinen Sträuchern, die den Untergang
ihrer großen Nachbarn ausgenützt haben, um sich üppig zu verbreiten. Ich schaue auch auf Evelyne, die auf dem Sofa von Thomas
schläft. Das kombinierte System von Gastfreundschaft,
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