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Malevil

Malevil

Titel: Malevil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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muß in ihrem gebrechlichen kleinen Körper über einen Vorrat an Lebenskraft verfügen, denn nach der Nacht,
     die sie durchgemacht hat, ist sie während dieses ganzen Auftritts lebhaft und fröhlich. Erst gegen Ende zeigt sie ein wenig
     Erschöpfung. Sie möchte sogar aufstehen, aber ich lasse es nicht zu. Sie soll bis zum Mittag schlafen, dann werde ich sie
     holen kommen. Du versprichst mir, daß du kommst, Emmanuel? Ich verspreche es, und als ich auf die Tür zugehe, folgt sie mir
     mit dem Blick, während ihr bleicher Kopf kaum das Kissen eindrückt. Sie hat unendlich große Augen. Keinen Körper und fast
     kein Gesicht, nichts als Augen.
    Als ich mit der leeren Schale auf dem Tablett in den Hof hinunterkomme, stoße ich vor dem Bergfried auf eine kleine Gruppe:
     Thomas, Peyssou, Colin, die Hände in den Taschen, und Miette, die mich zu erwarten scheint. Und wirklich, kaum hat sie mich
     gesehen, nimmt sie mir das Tablett aus der Hand und trägt es in den Wohnbau zurück. Im Gehen wirft sie mir einen Blick zu,
     der mich überrascht.
    »Weißt du, Emmanuel«, sagt Peyssou, »wir wollten dir nur sagen, wir haben jetzt den ganzen Kram von Colin eingeräumt. Und
     nun öden wir uns.«
    »Und Meyssonnier?«
    »Meyssonnier«, sagt Peyssou, »der ist versorgt. Er bastelt den Bogen, den du bei ihm bestellt hast. Jacquet und der Momo versorgen
     das Vieh. Aber was sollen wir jetzt anfangen? Wir können doch nicht bloß zuschauen, wie das Korn wächst.«
    Colin mit seinem gondelförmigen Lächeln fragt, ob sie vielleicht den Frauen morgens das Frühstück ans Bett bringen sollen.
    »Colin!« ermahne ich ihn.
    »Wahr ist es immerhin«, flicht Thomas ein. »Nichtstun ist deprimierend.«
    |353| Ich schaue ihn an. Depressionen hat er nicht. Er braucht viel eher Schlaf. Heute morgen jedenfalls hat er keine allzu große
     Lust zu arbeiten. Wenn er hier steht, in den Chor der Arbeitslosen einstimmt und sich so lebhaft wünscht, anderswo zu sein,
     dann vielmehr, weil es nicht so aussehen soll, als hinge er zu sehr an den Röcken seiner Frau.
    »Also gut«, sage ich. »Ich habe ein volles Programm auf Vorrat. Zum ersten: Reitstunden für alle. Zum zweiten: Schießübungen.
     Zum dritten: Erhöhen der Wallmauer am Torbau, wo sie für Leitern erreichbar ist.«
    »Schießübungen?« fragt Colin. »Wir werden nur Munition verpulvern. So viel haben wir nicht.«
    »Ach was. Kennst du den kleinen Stutzen, den mir der Onkel zum Scheibenschießen geschenkt hat? Ich habe ihn wiedergefunden.
     Auf dem Dachboden, zusammen mit einer Menge Kugeln. Zum Training genügt er.«
    Peyssou beschäftigen mehr die Wallmauern. Sein Vater ist Maurer gewesen, er selbst hat in diesem Handwerk einige Fertigkeiten,
     und zu den Wallmauern sagt er nicht nein. Zumal Zement da ist, den wir mit der Beute aus dem Etang mitgebracht haben. Es fehlt
     auch weder an Sand noch an Steinen. Daran gedacht hat er schon. Aber trotzdem.
    »Trotzdem«, sagt er, »sollten wir den optischen Gesamteindruck nicht verschandeln. Baust du höher, bringst du die Zinnen zum
     Verschwinden. Ohne Zinnen wird es nicht gut aussehen. Dem Auge wird etwas fehlen.«
    »Du wirst schon eine Möglichkeit finden«, sage ich. »Ganz sicher gibt es eine Möglichkeit, den Blick fürs Auge mit der Sicherheit
     in Übereinstimmung zu bringen.«
    Zweifelnd schiebt er die Unterlippe vor und schüttelt finster den Kopf. Aber ich kenne doch Peyssou, er ist begeistert. Er
     wird Tag und Nacht an das Höherziehen der Mauer denken. Wird Zeichnungen machen. Und hat er es dann geschafft, wird er jedesmal,
     wenn er von den Feldern heimkehrt und sich dem Torbau nähert, bei sich denken: Ich, Peyssou, habe das gemacht.
    »Thomas«, sage ich, »geh und zeig ihnen, wie man sattelt. Nimm die drei Stuten, nicht aber Bel Amour. Ich komme euch in die
     Maternité nach.«
    Ich betrete den Wohnbau, und hinten im Saal sehe ich die |354| vier Frauen, die beiden alten und die beiden jungen, sehr geschäftig. Die Familie Falvine hat jetzt die klare Mehrheit inne:
     drei gegen eine. Doch die Menou ist Manns genug, sich zu verteidigen. Als ich die Tür öffne, hört sie auf, die Falvine anzubrüllen.
     Die beiden jungen schweigen, die eine, weil sie stumm, die andere, weil sie klug ist.
    »Miette, kannst du einen Augenblick kommen?«
    Miette läuft herbei. Ich führe sie hinaus und schließe die Tür hinter mir. Das geflickte Wollröckchen, die abgetragene Hemdbluse
     mit kurzen Ärmeln – das alles sehr sauber – und

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