Malevil
Hand.
Wir bestatteten Momo neben Germain und neben dem kleinen Grab mit den Überresten der Familienangehörigen unserer |379| Gefährten. Diesen Embryo eines Friedhofs hatten wir am Tage des Ereignisses anzulegen begonnen. Er gehörte zu der »Welt danach«,
und wir wußten, daß er uns alle aufnehmen würde. Er lag vor dem äußeren Burgwall, auf dem ehemaligen Parkplatz. Dort ist eine
kleine Esplanade, in den Felsen gehöhlt, die sich vierzig Meter weiter verengt und sich den Abmessungen des Fahrweges zwischen
Fels und Abhang anpaßt. Der Weg biegt hier fast im rechten Winkel um die Felswand.
An diesem schmalen Durchlaß zwischen Abgrund und Felswand beschließen wir eine Palisade zu errichten, dazu bestimmt, den äußeren
Burgwall gegen nächtliches Übersteigen abzusichern: eine vorgeschobene Befestigungsanlage aus starken, gut gefugten Eichenbrettern.
Das Tor der Palisade weist zu ebener Erde ein Schiebetürchen auf, gerade so groß, daß ein Mann auf allen vieren durchkriechen
kann. Einen Besucher werden wir hier erst einlassen, nachdem wir ihn durch das neben dem Guckloch verborgene Sicherheitsvisier
gemustert haben.
Auch an das Überklettern haben wir gedacht. Das Oberstück der Palisade, das man entfernen kann, um ein Fuhrwerk passieren
zu lassen, ist mit vier Reihen Stacheldraht bewehrt; jede Berührung löst ein Getöse von Blechbüchsen aus. Besucher mit guten
Absichten können eine Glocke benutzen, die Colin aus den Beständen seines Lagers beigesteuert und neben dem Guckloch angebracht
hat.
Meyssonnier hat dem kleinen Vorplatz zwischen der Palisade und den Gräben des äußeren Burgwalls den Namen VVZ – vorgeschobene
Verteidigungszone – gegeben.
Auf seinen Rat hin wurde beschlossen, sie schachbrettartig mit Fußangeln zu bestücken und nur rechts entlang dem Burggraben,
dann entlang der Rundung des ausgehöhlten Felsens einen drei Meter breiten Weg offenzulassen, der, am Friedhof vorüber, bis
an die Palisade führte. Diese Fußangeln – oder »Idiotenfallen«, wie Meyssonnier sie nannte – waren von klassischer Bauart:
sechzig Zentimeter tiefe Löcher, in denen wir spitze Pflöcke oder mit dicken Nägeln gespickte Brettchen versenkten. Die Löcher
wurden unter Pappestücken verborgen und mit Erde zugedeckt.
Inzwischen stockte Peyssou den äußeren Burgwall auf; er versah die Öffnungen des Zinnenkranzes mit starken hölzernen Sturzen
und richtete darüber gut eineinhalb Meter Mauerwerk |380| auf. Als er damit fertig war, bat er Meyssonnier, diese Öffnungen mit dicken Holzläden zu verschließen. »Nach außen hochzuklappen.
Auf diese Weise kannst du aus der Deckung heraus den Wall unter dir bestreichen, ohne daß ein Dreckskerl, der weiter weg ist,
die Möglichkeit hat, dir eins aufzubrennen. In den Läden kannst du außerdem unten einen Schlitz anbringen und verstärkst damit
die Schießscharten durch eine Brustwehr.«
Selbstverständlich nahm er an, so wie wir alle, daß die Angreifer auch nur über Jagdflinten verfügen würden und daß das dicke,
abgelagerte Eichenholz ausreichen würde, ihre Bleikugeln abzufangen. Eine Voraussetzung, die sich durch das nachfolgende Geschehen
als falsch erweisen sollte.
Eines Morgens – die Palisade war bereits fertig, aber noch nicht die Zurüstung der Fußangeln – befand ich mich allein in der
VVZ und hörte die Glocke scheppern. Es war Gazel auf Fulberts großem Grauesel. Als ich das Guckloch öffnete, stieg er gleich
ab und zeigte mir ein höfliches, kaltes Gesicht.
Er wollte sich nicht »erfrischen«, sondern reichte mir durch das Guckloch einen Brief Fulberts und erklärte, er wolle vor
dem Tor auf die Antwort warten. Freilich bestand ich nicht darauf, daß er hereinkäme, denn die VVZ war noch bei weitem nicht
fertig.
Der Brief lautete:
Mein lieber Emmanuel,
ich danke Dir für Deine Warnung vor den Plündererbanden. Wir haben unsererseits noch keine gesichtet. Freilich sind wir auch
nicht so reich wie Malevil.
Übermittelst Du bitte der Menou mein Beileid zum Tode ihres Sohnes und sagst ihr, daß ich ihn in meinen Gebeten nicht vergesse?
Zum andern habe ich die Ehre, Dir mitzuteilen, daß ich von der Versammlung der Gläubigen der Pfarre zum Bischof von La Roque
gewählt worden bin.
Also habe ich Monsieur Gazel ordinieren und zum Pfarrer von Courcejac und Geistlichen von Malevil ernennen können.
Trotz meines Wunsches, Dir nicht zu nahe zu treten, würde ich in der Tat
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