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Malevil

Malevil

Titel: Malevil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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sich nicht einmal die Mühe, zerknirscht zu erscheinen!
    »Ich glaube, ja! Und auch den anderen kommst du herausfordernd. Aber denen ist es zum Glück schnuppe.«
    »Dir, willst du sagen, ist es schnuppe«, sagt sie aggressiv. »Aber das wußte ich. Du liebst nur die dicken Weiber wie das
     nackichte Frauenzimmer, das du über dein Bett geklebt hast. Als Pfarrer, wirklich, du überraschst mich! Da würde man eher
     ein Kruzifix erwarten!«
    Wie bissig sie doch ist, wahrhaftig!
    |377| »Das ist die Reproduktion eines Renoir«, sage ich und bin erstaunt, mich plötzlich in die Defensive gedrängt zu sehen. »Von
     Kunst verstehst du nichts.«
    »Und das Porträt deiner Deutschen auf deinem Schreibtisch, ist das auch Kunst? Abscheulich, diese alte Schachtel! Nichts als
     Titten überall. Aber das läßt dich ja kalt. Du hast Evelyne.«
    Was für eine Schlange!
    »Wieso habe ich Evelyne?« fahre ich sie in kalter Wut an. »Was soll das heißen? Hältst du mich für einen Wahrwoorde?«
    Und mein Blick trifft sie voll und vernichtend tief in ihre Augen. Sofort zieht sie sich auf den Zehenspitzen vom Kampfplatz
     zurück.
    »Das habe ich niemals behauptet, wo denkst du hin!« sagt sie. »Nicht der leiseste Gedanke daran!«
    Von wegen, nicht der leiseste Gedanke daran! Langsam beruhige ich mich. Ich greife mir wieder den Bleistift und nehme meinem
     Engelchen die Flügel ab. Dann zeichne ich ihm zwei kleine Hörner und einen langen Schwanz. Einen Greifschwanz, wie ihn die
     Affen haben. Catie renkt sich vor mir aus, um zu sehen, was ich mache. Wie stolz sie ist auf ihr bißchen Geschlecht! Und wie
     sie überall seine Macht spüren lassen möchte. Ich hebe den Kopf und nehme sie in Augenschein.
    »Im Grunde ist es dein sehnlicher Traum, daß alle Männer in Malevil in dich verliebt und allesamt unglücklich wären. Und du
     würdest während dieser ganzen Zeit immer nur Thomas lieben.«
    Ich habe ins Schwarze getroffen, glaube ich. Denn schon sehe ich in ihren Augen das Flämmchen der Aggressivität wiedererwachen.
    »Was willst du denn?« fragt sie. »Es kann doch nicht jeder die Hure spielen wie deine Miette.«
    Schweigen.
    Ohne die Stimme zu heben, sage ich: »Schön sprichst du von deiner Schwester. Bravo!«
    Im Grunde kein schlechtes Ding, diese Catie. Denn sie errötet, und zum erstenmal seit dem Beginn ihrer Beichte sieht sie wirklich
     zerknirscht aus.
    »Weißt du, ich hab sie sehr gern. Man sollte es nicht glauben.« Lange Pause. »Du findest mich wohl nicht nett?« fügt sie dann
     hinzu.
    |378| Ich lächle ihr zu.
    »Ich finde dich jung und unbesonnen.«
    Vor Staunen, daß ich nach all den Gemeinheiten, die sie mir gesagt hat, freundschaftlich mit ihr spreche, ist sie verstummt,
     und ich setze hinzu: »Nimm Thomas. Er ist verknallt. Und du, weil du jung bist, mißbrauchst das. Du kommandierst ihn, und
     das ist unrecht. Weil Thomas kein Schlappschwanz ist. Er ist ein Mann, und er wird dir darum böse werden.«
    »Er ist mir schon böse.«
    »Wegen der Dummheiten, die du ihn hast begehen lassen?«
    »Ja doch!«
    Ich stehe auf und lächle sie erneut an.
    »Das wird in Ordnung kommen. In der Versammlung hat er alles auf sich genommen. Er hat dich verteidigt wie ein Löwe.«
    Sie blickt mich mit strahlenden Augen an.
    »Aber auch du bist in der Versammlung nicht sehr scharf gewesen.«
    »Trotzdem möchte ich dir raten: Bei Peyssou sei ein wenig vorsichtig.«
    »Das«, sagt sie mit einer Offenheit, die mich verwundert, »kann ich dir nicht versprechen. Männern konnte ich niemals widerstehen.«
    Ich schaue sie an. Das bringt mich nun aus der Fassung. Ich denke nach. Nichts habe ich an diesem Mädchen begriffen! Wenn
     sie die Wahrheit sagt, ist meine ganze Analyse hinfällig.
    »Weißt du«, fügt sie hinzu, »wenn du auch noch so ein Schürzenjäger bist, als Pfarrer wärst du gar nicht so schlecht. Na schön,
     du siehst, ich ziehe alle meine Bosheiten zurück, besonders … Ich ziehe sie eben zurück. Du bist lieb. Es ist nur so, daß
     ich meine Zunge nicht im Zaum halten kann. Darf ich dich küssen?«
    Und wirklich, sie küßt mich. Ein flüchtiger Kuß, ganz anders als bei ihrem Eintritt. Aber die Reinheit dieses Kusses wollen
     wir trotzdem nicht übertreiben. Beweis dafür ist, daß er mich erregt, daß sie es merkt und ein leises triumphierendes Gurren
     hören läßt. Ich öffne ihr die Tür, sie entweicht im Laufschritt über den leeren Treppenflur, dreht sich dann um und winkt
     mir noch kurz mit der

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