Malevil
nicht bloß eine kleine Nervensäge, wie du dachtest. Catie ist eine
Frau, eine richtige!«
Lassen wir (arme Miette!) die geschwisterliche Anspielung beiseite. Mit wirrem Haar, glühenden Wangen und kleinem, gerötetem
Busen thront Catie im Schneidersitz auf dem Bett und sieht mich triumphierend an, ihre lebhaften Augen strahlen von Stolz.
Auf den ersten Blick mag es absurd erscheinen, daß sie so stolz auf ihre Begabung zur Liebe ist, an der sie als Gabe der Natur
keinerlei Verdienst hat. Aber wir – ich wie die anderen –, sind wir nicht unsererseits ebenso geckenhaft stolz auf unsere
Männlichkeit? Und brüsten uns damit noch obendrein, eitel wie die Pfauen? Und zudem, im Grunde ist es gar nicht so dumm. Denn
wirklich schätze ich Catie seit einigen Minuten viel höher ein als je zuvor. Auch ich finde, sie ist »eine Frau, eine richtige«.
Wäre Thomas nicht und nicht das unselige Moralempfinden, mit dem ich behaftet bin, wäre ich sogar geneigt, in diesem Abschluß
einer Siesta den ersten Akt einer Gepflogenheit zu sehen.
Wer wollte sagen, Catie sei nicht intelligent? Die Augen, die an den meinen hängen und in denen ich eben noch so viel Lust
gelesen habe – die ganze Lust, die sie sich genommen, und jene, die sie mir geschenkt hat und auf die sie so närrisch stolz
ist –, diese Augen verfolgen und durchdringen der Reihe nach alle meine Gedanken. Sie sieht oder spürt, daß die Geringschätzung,
die ich für sie empfand, überwunden ist, daß ich ihr jetzt viel Wert zuerkenne. Sie schwelgt im Rausch dieser Erhöhung. Sie |422| hat den Kopf zurückgeworfen, die Lippen stehen halb offen, die Augen strahlen. Wie Wein läßt sie sich den Triumph durch die
Kehle rinnen.
»Trotzdem, Catie, wir werden es Thomas erzählen müssen«, sage ich mit erstickter Stimme.
Der Gedanke daran ist eine kalte Dusche, nicht aber für sie.
»Laß nur, mach dir nichts draus«, sagt sie mit leisem Lachen. »Das nehme ich auf mich. Es braucht dich nicht zu beschäftigen.«
So viel Frechheit verblüfft mich.
»Aber hör mal, Catie, er wird wütend sein, verletzt …«
Sie schüttelt den Kopf.
»Aber nein. Nicht im geringsten. Er liebt dich zu sehr.«
»Das tue ich auch«, sage ich und bin, als ich mir überlege, in welchem Augenblick ich das ausspreche, beschämt.
»Oh, ich weiß!« sagt sie in einem kurzen Rückfall in ihre einstige Bitterkeit. »Du hast ja jedermann in Malevil geliebt, nur
mich nicht!« Sie korrigiert sich mit einem kurzen, kehligen Lachen. »Aber das ist nun vorbei!«
Sie steht auf und macht sich wieder zurecht. Sie sieht mich an und tut das mit einer Besitzermiene, als hätte sie mich eben
im Kaufhaus der Bezirksstadt erworben und kehrte nun zufrieden mit ihrem Einkauf unterm Arm nach Hause zurück. Zu sich oder
zu mir. Denn jetzt schweift ihr Blick besitzergreifend im Zimmer umher, verweilt auf meinem Schreibtisch (das Foto von deiner
Deutschen!) und länger noch auf dem Ruhebett unterm Fenster. Während dieser beiden Etappen verzieht sich ihr Gesicht zweimal
zu einem Flunsch.
»Nun«, sagt sie, »es ist ein Glück, daß ich mich um dich gekümmert habe! Armer Emmanuel, man kann nicht behaupten, daß dir
zur Zeit viele Freuden beschieden sind!«
Auf einmal beginnen ihre Augen wieder zu strahlen. Sie sieht mich an, ihre Augen glänzen vor Unverschämtheit.
»Wegen Evelyne hast du dich noch immer nicht entschieden?«
Wahrhaftig, sie meint, sie kann sich alles erlauben! Ich bin wütend. Doch nein, weshalb lügen, ich bin nicht wütend. Weit
weniger jedenfalls, als ich es vorher gewesen wäre. Erstaunlich, wie sie mich besänftigt hat! Übrigens merkt sie auch das
und bleibt beharrlich.
|423| »Du antwortest nicht?«
»Was soll ich darauf antworten? Sie ist dreizehn Jahre!«
»Vierzehn. Ich habe ihre Papiere gesehen.«
»Nun, sie ist ein Kind.«
Sie hebt die Arme.
»Ein Kind? Ein Weib, ja! Und eines, das genau weiß, was es will!«
»Und was will sie?«
»Dich natürlich!« Triumphierend bricht sie in Lachen aus. »Und sie wird dich haben! Ich habe dich ja auch gehabt, hochwürdiger
Herr Pfarrer von Malevil!«
Das ist ein Partherpfeil, aber sie schießt ihn nicht fliehend auf mich ab: Sie fällt mir um den Hals und leckt mir das Gesicht.
»Ich sehe, du bist unruhig, Emmanuel. Du meinst: Jetzt ist die Disziplin zum Teufel! Bei dieser Verrückten! Nun gut, du wirst
merken, wie du dich irrst! Das Gegenteil ist der Fall. Du wirst sehen! Vom Scheitel
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