Malevil
einer Treffsicherheit bis zu 60 Metern. Den
Mauern von Malevil drohe keine Gefahr, sie seien zu dick. Peyssou würde sagen: Und mit Kalk gebaut, der über sechshundert
Jahre alt ist und härter als Stein.
»Die Palisade hingegen!« sagt Meyssonnier und schüttelt den Kopf. »Und das Tor des äußeren Burgwalls! Und die Zugbrücke!«
Wir blicken einander an. Ich trage einen Optimismus zur Schau, den ich nicht im geringsten empfinde. Kein Problem, sage ich
in festem Ton. Die Palisade wird selbstverständlich preisgegeben. Sie war ja nur ein Element der Tarnung und der Alarmbereitschaft.
Sie wird ihre Aufgabe, den Feind aufzuhalten, erfüllen, indem sie den Feind zwingt, sie zu zerstören und sich bemerkbar zu
machen. Um das Portal am Torbau zu schützen, schlage ich euch vor, eine Mauer aus Feldsteinen zu errichten, gut einen Meter
dick und drei Meter hoch. Weit genug entfernt von der Brücke, um seitlich einen Berittenen durchzulassen. Wir haben ja Sand
im Hof und Säcke im Keller, die werden wir anfüllen und vor der Mauer aufstapeln.
Zu meiner großen Erleichterung billigt Meyssonnier meinen |418| Vorschlag. Nach den technischen Erklärungen, die er abgegeben hat, ist seine Zustimmung von großem Gewicht.
Bevor wir zur Tat übergehen, sage ich noch ein paar Worte. Ich habe mich, sage ich, entgegen der allgemeinen Ansicht für die
Wache in der vergangenen Nacht entschieden. Das war gut so. Ich möchte keine große Sache daraus machen, aber ich betone: Der
Widerstand der Gefährten war in Wirklichkeit ein verhüllter Akt von Disziplinlosigkeit. Ebenso der Widerstand von Catie, als
ich sie während des Verhörs mit dem Gefangenen zur Wache auf dem Wall einteilte. Ich weise sie kurz zurecht: So etwas gibt
es von nun an nicht mehr! Wenn ich einen Befehl erteile, erwarte ich, daß ich keine Zeit mehr damit verliere, mich mit Nervensägen
herumzustreiten!
Ich stehe auf. Die Sitzung, die keine zehn Minuten gedauert hat, ist beendet. Von den einstigen Wortgefechten sind wir weit
entfernt.
Catie hat nichts gesagt, mir aber einen sehr merkwürdigen Blick zugeworfen. Haßgefühl? Reue? Nicht im geringsten. Vielleicht
Verwunderung: Ich eine Nervensäge? Du wirst schon sehen!
Aber dieses »Du wirst schon sehen!« war keineswegs eine Drohung. Wenn ich das Herz dazu hätte, würde ich es eher als ein Versprechen
bezeichnen.
Als das Grab geschaufelt und der Tote in der Erde ist, löse ich den unentbehrlichen Peyssou von seinem vorgeschobenen Posten
an der Straße nach La Roque ab und ersetze ihn durch Colin, denn ich möchte nicht mitten in den Befestigungsarbeiten von einem
Angriff überrascht werden, auch wenn ich ihn bei Tage für wenig wahrscheinlich halte. Ich stelle zwei Mannschaften zusammen.
Die eine steht unter dem Kommando von Peyssou. Sie schafft ihm für den Bau seiner Mauer die bereits präparierten Steinblöcke
heran. Die andere, die aus den vier Frauen und Evelyne besteht, füllt die Sandsäcke, bindet sie zu und karrt sie zu den Wassergräben,
wo sie zum Aufstapeln bereitgelegt werden.
Um weniger Zeit zu verlieren und um immer Leute in der Nähe der Palisade zu haben, entscheide ich, daß wir unsere Mahlzeiten
schichtweise in der Küche des Torbaus einnehmen und daß das Kochen entfällt, da ja die Menou und die Falvine Wichtigeres zu
tun haben.
|419| Bevor Peyssou den ersten Stein setzt, lasse ich die beiden Fuhrwerke hinausfahren. Ich stelle sie nahe an den Gräben ab, auf
dem nicht mit Fallen versehenen Streifen des Parkplatzes. Dort liegen sie keineswegs im Schußfeld, und ich vermeide auf diese
Weise, sie hinter der Mauer zu verriegeln, die nach meiner Vorstellung ein bleibender Bestandteil der Befestigung werden soll.
Denn selbst angenommen, wir würden eines Tages von einer Bande angegriffen, die über keine Panzerfaust verfügt, bleibt das
große Holzportal des Torbaus der schwache Punkt von Malevil: Der Gegner kann es in Brand stecken oder einrennen. Und es ist
ein Vorteil, ihm den Zugang durch eine Mauer zu verwehren, hinter die er nur durch einen engen, durch intensiven Beschuß leicht
zu sperrenden Durchlaß gelangen kann.
Ich mache die Feststellung, daß die Maurer des Mittelalters beim Behauen der Steinblöcke mit den Abmessungen nicht kleinlich
gewesen sind. Die Blöcke stammen aus den Ruinen des alten Weilers im äußeren Burghof und sind von beachtlichem Gewicht. Es
ist nicht einfach, sie anzuheben und auf den gebeugten Knien
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