Malevil
schickt
sie sich an, sich ein rechtes Vergnügen zu bereiten. »Du wirst immer derselbe bleiben. Immer dabei, hinter deinem Schwanz
herzulaufen! Wie dein Onkel Samuel! Schämst du dich nicht! Eine Schlampe, die du selbst feierlich mit einem Freund verheiratet
hast. Oh, du bist mir ein schöner Pfarrer! Wenn ich daran denke, daß du mir die Beichte abgenommen hast! Ich weiß nicht, wer
von uns beiden sie dem andern abnehmen sollte! Sicher ist nur, du hättest da mehr zu erzählen! Sicher auch, daß der liebe
Gott nicht sehr zufrieden sein dürfte! Wohlgemerkt, über jene sage ich schon nichts, oh, ich sage nichts, ich bin höflich.
Aber ich denk mir trotzdem mein Teil. Jetzt brauchen wir uns nicht mehr zu sorgen, wir können das Feuer ausgehen lassen! Wir
können es immer, du weißt schon, wo, wieder anzünden. Und ein Schandmaul ist sie obendrein, so jung sie auch ist! Eines kannst
du jedenfalls glauben: daß die nicht daran denkt, es bei dir zu belassen, o nein! Daß es nach dir Peyssou sein wird und nach
Peyssou Jacquet und die übrigen! Daß sie dann Vergleiche anstellen kann!« (Dies, kommt mir vor, sagt sie nicht ohne Neid.)
Ich höre zu wie einst der Onkel und bleibe still. Wie es der Onkel tat, höre ich zu und spiele in dieser kleinen Komödie meinen
Part. Ich runzle die Brauen, ich zucke die Achseln, ich schüttle den Kopf, kurz, ich zeige alle äußeren Anzeichen eines |426| Mißvergnügens, das ich nicht im entferntesten empfinde. Nach der Zänkerei mit Pougès ist das seit Momos Tod die zweite große
Schmähorgie. Gleichgewicht, Kraft, Angriffslust, alles ist wieder da. Dieses kleine Gerippe ist lebendig wie eh und je. Während
sie mich bezichtigt, denkt sie im übrigen nicht daran, mich zu verteufeln. Wäre ich ein Schlappschwanz, würde sie mich verachten.
Ihre Ansichten sind einfach: Ein Stier ist zum Bespringen geschaffen. Die Schamlose ist die Kuh. Zum mindesten, wenn sie den
Stier sucht, anstatt, wie es ihre Pflicht ist, ihn zu dulden.
Die Schmähorgie ist zyklisch. Zum zweitenmal komme ich in den Genuß des Bildes vom verloschenen Feuer, das wir wieder anzünden
können. Als die Erfindung der Wiederholung weicht, fahre ich dazwischen. Denn zu meinem Part gehört es auch, das letzte Wort
zu haben.
»Kommt nun dieses Garn?« frage ich aufbrausend in mürrischem Ton.
Dieser Anpfiff bringt das Nähgarn zum Vorschein. Schon liegt es auf dem Tisch. Sie mißt es mir knausrig zu, während sich ihr
Geschimpfe Grad um Grad zu einem immer weniger vernehmlichen Gemurmel abschwächt. Mir summt es in den Ohren, als ich die Küche
verlasse. Der Gedanke, daß in Malevil das Leben so alltäglich bleibt, während uns doch in jedem Moment die Ausrottung droht,
setzt mich in Erstaunen.
»Weißt du was?« sagt Peyssou zu mir von der Leiter herunter, während er gerade einen ungeheuren Block bewegt, als wäre es
nur ein Pflasterstein. »Die Säcke müßten wir so aufstapeln, daß man die Mauer nicht sehen kann und Vilmain sich einbildet,
er hätte es nur mit Sand zu tun. Der wird sich die Zähne ausbeißen.«
Ich stimme zu und vertraue in meiner und Meyssonniers Abwesenheit Colin das Kommando an, der uns bis zur Palisade begleiten
und das Schlupfloch wieder schließen soll, wenn wir es passiert haben. Auf allen vieren zu kriechen ist eine wenig würdige
Art und Weise, aus einer Burg hervorzutreten, doch gebe ich das Beispiel, denn ich möchte, daß es zur Gewohnheit wird. Im
Nu könnte, wenn man das Portal gerade geöffnet hat, eine ganze Horde hereinstürmen, nicht aber durch diese Luke über dem Erdboden,
deren untere Fuge – diese Einzelheit vergaß ich anzugeben – zusätzlich mit einem Sensenblatt versehen ist.
|427| Wir schlagen vorerst die Landstraße nach La Roque ein, wo Thomas wachsam und gut versteckt ist, denn wir hören von ihm ein
kurzes: Wohin geht ihr?, ohne daß wir erkennen können, wo er sich verbirgt. Schließlich taucht er auf, mehr denn je einem
griechischen Standbild ähnlich.
»Wir gehen den Waldweg erkunden. Sobald wir zurück sind, löse ich dich ab, wenn du möchtest.«
»Ach, weißt du«, sagt Thomas, »ich liege und schaue. Das ist weniger ermüdend, als was du eben getan hast.«
Ich werde rot und fühle mich lebendigen Leibes in die Haut eines Verräters genäht.
»Ich muß auf jeden Fall mit dir sprechen«, sage ich.
Diesen Entschluß habe ich ohne reifliche Überlegung gefaßt, aber ich bin damit zufrieden. Ich werde mich
Weitere Kostenlose Bücher