Malevil
aufzufangen, bevor man sie erleichtert auf den Schubkarren fallen
läßt. Mitunter muß man zu zweit herangehen. Colin habe ich, um ihm diese Kraftübung zu ersparen, auf Wachtposten gestellt.
Aber Thomas scheint mir trotz seiner guten Kondition damit Mühe zu haben. Meyssonnier trieft von Schweiß. Allein Jacquet mit
seinen Gorilla-Armen hebt mühelos Blöcke, für die ich seine Hilfe in Anspruch genommen hätte.
Ich selbst bin von meiner Leistungsfähigkeit enttäuscht, sage mir, daß ich alt werde, und versinke in Traurigkeit. Nicht für
lange, denn plötzlich erinnere ich mich, daß ich in der vergangenen Nacht wenig geschlafen habe und daß es mir an Anspannung
und Erregungen nicht gefehlt hat. Diese Feststellung verleiht mir doch wieder eine bessere Moral, auch wenn sich keine neuen
Kräfte einstellen, und unter einer heißen, zeitweilig drückenden Sonne halte ich schweißüberströmt, mit gebrochenen Fingernägeln,
schmerzenden Händen und steifem Kreuz den Rhythmus durch.
Um dreizehn Uhr erinnert Meyssonnier an die Nachtwache, die wir uns geteilt haben, und geht für einen »kleinen Moment« schlafen.
Um fünfzehn Uhr, immerhin zufrieden, Meyssonniers Ausdauerrekord um hundertzwanzig Minuten überboten zu haben, |420| bin ich meinerseits ausgepumpt und höre auf. Im übrigen hat Peyssou schon mehr Steine, als er braucht, und fordert Jacquet
zur Mithilfe beim Ausbau der Mauer an. Ich übergebe Meyssonnier, der nach zwei Stunden von seinem »kleinen Moment« zurückkehrt,
das Kommando und kündige an, daß auch ich mich ausruhen gehe. Während ich mich entferne, höre ich, daß Meyssonnier den äußerst
erschöpften Thomas auf unseren vorgeschobenen Posten schickt, um dort Colin abzulösen.
In meinem Zimmer bleibt mir kaum Zeit, mich auszuziehen. Trotz der Kühle der ungeheuren Mauern ist es sehr heiß. Widerstandslos,
mit schweren Beinen und kraftlosen Armen, sinke ich auf mein Bett und schlafe ein. Dieser Mittagsschlaf ist sehr unruhig und
gipfelt in Alpträumen. Ich werde sie nicht erzählen. Es gibt ohnedies genug Gräßliches in der Wirklichkeit. Zudem ist es eine
Art von Traum, die jeder schon gehabt hat: Du wirst von Menschen verfolgt, die deinen Tod wollen. Sobald sie dich erreichen,
versetzt du ihnen Hiebe, und deine Hiebe sind kraftlos. Das ginge noch an, wenn man diesem Alp nur einmal ausgeliefert wäre,
aber nein, er kommt wieder. Und das Abscheuliche: Der Verfolger ist in meinem Fall Bébelle, mit einem Weiberrock angetan,
mit langen blonden Haaren, die hinter ihm herflattern, und mit dem Messer in der Hand.
Gerade als die Schneide meinen Hals erreicht, wache ich auf. Ich öffne die Augen. Tatsächlich ist eine Frau in meinem Zimmer,
aber Gott sei Dank, Bébelle ist es nicht. Es ist Catie.
Sie steht vor meinem Bett. In ihren Augen blitzt der Schalk. Sie sieht mich an und sagt nichts. Und plötzlich wirft sie sich
mit Ungestüm auf mich, legt sich mit ihrer ganzen Länge schwer auf meinen Körper und drückt mir ihre Lippen auf den Mund.
Ich bin noch halb im Schlaf, und Catie kann fast für einen Traum gelten, zumal sie mit einer Geschicklichkeit zu Werke geht,
über die ich staune. Als ich schließlich völlig wach bin, ist es zu spät, ich habe meine Rolle bereits übernommen. Mit der
Lust meldet sich das Gewissen, wird aber schwächer, indes die Lust sich steigert. Sich steigert bis zur Raserei, vermittelt
und geteilt von einer entfesselten Partnerin, die sogleich in höchstem Grade mitgeht und die Möglichkeit findet, zwei- oder
dreimal wieder aufzuflammen und zu erlöschen in der kurzen Zeit, da ich mich in Befriedigung wiege.
|421| Mit Mühe komme ich wieder zu Atem. Ich sehe Catie an. Ich hatte sie nicht für besonders hübsch gehalten. Ich muß annehmen,
meine Augen haben sich verändert. Jetzt, in ihrem hitzigen Aufruhr, finde ich sie hinreißend. Gleichzeitig taucht mein moralisches
Empfinden wieder an die Oberfläche.
Vorwurfsvoll, doch ohne Schärfe, frage ich sie: »Warum hast du das getan, Catie?«
Das ist ein wenig flau. Und auch ein wenig heuchlerisch, denn was sie getan hat, hat sie ja nicht allein getan.
»Erstens gefällst du mir, Emmanuel, so alt du auch bist (danke!). Von Thomas abgesehen, würde ich dich gleich nach Peyssou
einordnen.« Sie macht eine Pause, richtet den Kopf auf, und eine kleine Flamme ist in ihren Augen. »Und vor allem wollte ich,
daß du erfährst, Emmanuel, daß Catie jemand ist. Catie ist
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