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Malevil

Malevil

Titel: Malevil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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ist sehr heiß. Ich schwitze mächtig. Ich knöpfe den Kragen auf und kremple mir die Hemdsärmel hoch. Von Zeit zu Zeit drehe
     ich mich um und halte einen Ast fest, damit er nicht zurückschnellt und Colin trifft. Ich sehe, sein Gesicht ist bleich, seine
     Augen sind ein wenig eingefallen, seine Lippen zusammengepreßt. Seinetwegen bin ich erleichtert, als wir ankommen.
    Vom Forstweg zur Landstraße ist der Abstieg zuerst sanft, endet dann aber mit einem schroffen, steilen Hang von etwa zwanzig
     Metern. Abwärts kann man sich notfalls rutschen lassen. Aufwärts aber werde ich Mühe haben. Auf der anderen Seite der Straße
     ist das Gelände ähnlich gestaltet, was übrigens der Straße selbst an dieser Stelle etwas Bedrückendes verleiht. Sie erscheint
     zwischen zwei Böschungen wie abgewürgt.
    Rascher angetrieben, als ich gewünscht hätte, steige ich abwärts. Ich lande ziemlich hart auf der Straße. Ich ziehe den Stahldraht
     durch die zwei Löcher des Aushangs und befestige ihn an einem Stamm, bevor ich ihn über die Straße spanne und gegenüber an
     dem zweiten Stamm festmache. Ich halte mich nicht auf. Colin, den ich nicht sehen kann, liegt in den Ausläufern des Unterholzes
     am Rand des Abhangs und hält sein Gewehr vor sich, um mich in Richtung La Roque zu decken. Eine gute Deckung, wenn wir es
     mit einem einzelnen Menschen zu tun bekommen. Doch wenn es eine Bande wäre? Dann wäre ich sehr verwundbar, da ich bis zur
     nächsten Biegung nichts hinter mir habe als ein völlig entblößtes Gelände ohne Graben oder Gebüsch. Wenn ich das Unterholz
     erreichen möchte, habe ich keine andere Wahl, als auf der einen oder der anderen Seite im vollen Blickfeld des Gegners eine
     äußerst abschüssige Böschung emporzuklimmen.
    Ich stelle fest, daß es mir mit umgehängtem, also nicht unmittelbar schußbereitem Gewehr und mit Hilfe meiner beiden Hände
     doch nur mühsam gelingt, langsam hinaufzusteigen, denn bei aller Anstrengung rutsche ich immer wieder ab und bin nahe daran,
     abzustürzen.
    Colin ist im Unterholz so gut getarnt, daß ich ihn nirgends |464| sehen kann, als ich oben ankomme. Er sieht mich zweifellos, aber aus Angst, Lärm zu machen, wagt er mich nicht anzurufen.
     Ich höre ein Käuzchen schreien. Überrascht bleibe ich stehn. Denn seit dem Tage des Ereignisses ist alles still gewesen: weder
     Insektensurren noch Vogelruf. Der Käuzchenschrei wiederholt sich, ganz nahe. Ich gehe darauf zu und stolpere über Colins Beine.
    »He, Vorsicht! Hier bin ich!« sagt er mit leiser Stimme.
    »Hast du das Käuzchen gehört?«
    »Das war ich«, sagt Colin und lacht geräuschlos. »Um dich zu rufen.« Triumphierend klappt er mit hartem Schlag die Sicherung
     an seinem Gewehr zurück.
    »Du? Das klang ganz echt! Ich habe mich täuschen lassen.«
    »Erinnerst du dich nicht an die Imitationen aus der Zeit des Zirkels? Ich war der Beste.«
    Noch heute ist er stolz darauf. In allem, was keine Kraft erforderte, war Colin hervorragend: bei Bogenschießen, Schleuder,
     Kugelspiel, Zauberkunststücken. Und natürlich konnte er mit drei Bällen jonglieren, eine Flöte aus Schilfrohr basteln, eine
     Papierguillotine für Fliegen bauen, ein Türschloß mit einem Stück Draht öffnen, einen spektakulären Sturz vom Lehrerpodium
     simulieren.
    Ich lächle ihn an.
    »Zehn Minuten Pause. Du kannst pennen.«
    »Weißt du, was ich vorhin dachte, Emmanuel? Daß diese Stelle der Straße der erträumte Winkel für einen Hinterhalt wäre. Mit
     vier Figuren, zwei auf jeder Straßenseite, schaffst du dir eine ganze Bande vom Hals.«
    »Nun schlaf, schlaf! Strategie kannst du hinterher betreiben!«
    Und damit er rascher einschlafen kann, entferne ich mich, halte mich aber diesmal an Merkpunkte im Unterholz, um ihn nicht
     wieder zu verlieren. Im Weggehen betrachte ich Colin. Kaum hat er sich in dem jungen Farnkraut ausgestreckt, liegt er schon
     erloschen da, die Flinte wie eine zärtlich geliebte Frau im Arm.
    Ich sehe auf die Uhr. Dann gehe ich ein wenig auf und ab. Meine Halbschuhe machen kein Geräusch. Der Hang neigt sich nach
     Norden, und nach den Regengüssen ist alles von Moos überwuchert. Wiederum bin ich von der tropischen Üppigkeit |465| des Unterholzes überrascht. Aber es ist recht einseitig. Die Farnpflanzen scheinen vermöge ihrer überwältigenden Lebenskraft
     alles zu erobern. Die Stille, das Fehlen von Leben ist bedrückend. Das dürftigste Spinnennetz, der geringste Faden von einem
     Zweig zum andern,

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