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Malevil

Malevil

Titel: Malevil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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darüber, daß es durch mich zum Skandal kommt.
    Die Tür fliegt hinter Catie zu, und Meyssonnier erlaubt sich nichts, weder das »Na denn«, das Peyssou in einem solchen Falle
     geäußert hätte, noch das Lächeln, das mir Colin hätte zukommen lassen.
    »Setz dich«, sage ich. »Ich nehme dich für eine Minute in Anspruch.«
    Er nimmt den noch warmen Platz von Catie ein. Steif auf dem Sessel sitzend, verharrt er in Schweigen und rührt sich um |457| keinen Millimeter. Es ist sehr erholsam, unter Männern zu sein. Mit meinem Plakat werde ich weitaus besser und viel rascher
     fertig als zu Beginn der Arbeit.
    »Hier«, sage ich und reiche ihm die Proklamation, »was hältst du davon?«
    Er liest mit lauter Stimme:
     
    BEREICH VON MALEVIL UND LA ROQUE
     
    Die im folgenden namentlich genannten Verbrecher werden zum Tode verurteilt:
     
    VILMAIN, vogelfrei, Bandenführer;
    JEAN FEYRAC, Henker von Courcejac.
     
    Falls die übrigen bei der ersten Aufforderung die Waffen niederlegen, werden wir uns damit begnügen, sie mit einer für acht
     Tage reichenden Verpflegung aus unserem Gebiet zu verbannen.
    Emmanuel Comte,
    Geistlicher von Malevil
     
    Nachdem er laut gelesen hat, liest Meyssonnier nochmals leise. Ich betrachte sein langes Gesicht, die langen Falten längs
     seiner Wangen. Das Wort »Gewissen« steht in jedem seiner Züge geschrieben. Er ist ein guter kommunistischer Funktionär gewesen,
     aber ebensogut hätte er ein guter Priester oder ein guter Arzt sein können. Und mit seinem Hang zu dienen und mit seiner Aufmerksamkeit
     für Details wäre er ein sehr guter Verwaltungsbeamter. Wie schade, daß er nicht Bürgermeister in Malejac geworden ist! Ich
     bin sicher, daß er es selbst jetzt noch zuweilen bedauert.
    »Was hältst du davon?«
    »Psychologische Kriegführung«, sagt er zurückhaltend.
    Das ist eine Feststellung. Die Einschätzung wird später kommen. Er überlegt abermals. Lassen wir ihn daran kauen. Ich weiß,
     daß er langsam ist, doch das Resultat seiner Überlegungen rechtfertigt die Mühe.
    »Meiner Meinung nach«, fährt er fort, »wird das nur gehen, wenn Vilmain und Feyrac getötet werden. Klar, daß die anderen es
     dann vorziehen, mit dem Leben davonzukommen, anstatt sich zu prügeln, wenn sie ohne Kommandeure sind.«
    |458| Catie habe ich erklärt: wenn es für sie schiefgeht. Meyssonnier ist viel genauer: wenn Vilmain und Feyrac getötet werden.
     Er hat recht. Die Nuance ist wichtig. Ich werde mich daran erinnern müssen, wenn ich im Gefecht die Schießbefehle gebe.
    Ich stehe auf.
    »Das wär’s. Kannst du mir ein Stück Sperrholz suchen, das draufkleben und zwei Löcher durchbohren?«
    »Leicht zu machen«, sagt Meyssonnier und erhebt sich nun seinerseits.
    Er geht mit dem Plakat in der Hand um meinen Schreibtisch und bleibt bei mir stehen.
    »Ich wollte dich fragen: Möchtest du immer noch, daß wir nur die Schießscharten an den Zinnen benutzen?«
    »Ja. Warum?«
    »Es sind da nur fünf. Mit den zwei Schießscharten am Torbau sind es sieben. Und wir sind jetzt zehn.«
    Ich sehe ihn an.
    »Und was folgerst du daraus?«
    »Daß drei Mann draußen sein müssen und nicht zwei. Darauf mache ich dich aufmerksam, weil der Bunker für drei zu klein ist.«
    Erst Catie, dann Meyssonnier! Ganz Malevil überlegt, forscht, erfindet. Ganz Malevil hat alle seine Kräfte auf ein einziges
     Ziel vereint. In dieser Minute habe ich die Empfindung, zu einem Ganzen zu gehören, das ich leite, dem ich aber, selbst nur
     ein Rädchen, zugleich auch untergeordnet bin und das wie ein einziges Wesen zu seinem eigenen Nutzen denkt und handelt. Es
     ist eine berauschende Empfindung, wie ich sie in meiner »vorherigen« Existenz niemals hatte, weil sich da alles, was ich tat,
     in kleinlicher Weise auf mich allein beschränkt hatte.
    »Du siehst zufrieden aus«, sagt Meyssonnier.
    »Das bin ich auch. Ich finde, mit Malevil steht es gut.«
    Gemessen an dem, was ich empfinde, erscheint mir dieser Satz schon lächerlich, während ich ihn ausspreche.
    »Trotzdem«, sagt Meyssonnier, »ist dir nicht ab und zu ein wenig mulmig zumute?«
    Ich muß lachen.
    »O doch!«
    Auch er lacht und setzt fort: »Weißt du, woran mich das erinnert? An den Abend vor dem Abschlußzeugnis!«
    |459| Ich lache weiter, während ich ihn, die Hand auf seiner Schulter, bis an die Wendeltreppe begleite. Er geht, und ich kehre
     um, nehme meine Springfield und schließe die Tür ab.
    Im äußeren Burghof erwarten mich Colin, Jacquet und

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