Malevil
Hervé, letztere noch mit der Schaufel in der Hand, Colin mit leeren Händen
und ein wenig abseits. Die Nähe der beiden Riesen mag dem kleinen Mann ein wenig bedrückend erscheinen.
»Behaltet euer Werkzeug«, sage ich. »Ich habe Arbeit für euch. Wir wollen auf Meyssonnier warten.«
Catie hat meine Stimme gehört und kommt, mit dem Striegel in der einen und der Wurzelbürste in der andern Hand, aus der Maternité.
Ich weiß, was sie tut: Sie nutzt die Tatsache aus, daß Amarante saubere Streu bekommen hat, und striegelt sie. Denn Amarante
hat den Hang, sich zu wälzen, ob ihre Box nun mistig ist oder nicht. Falvine sitzt auf einem dicken Holzklotz, der vor dem
Grotteneingang steht, und erhebt sich mit schuldbewußter Miene, als sie mich erblickt.
»Bleib doch sitzen, Falvine, für dich ist es wohl an der Zeit, dich auszuruhen.«
»Nein, nein«, sagt sie mit einer Wichtigtuerei, die mich ärgert. »Glaubst du denn, ich habe Zeit, mich hinzusetzen!«
Sie bleibt also stehen, ohne im Stehen übrigens mehr Arbeit zu leisten als im Sitzen. Sie schweigt, und das ist schon etwas.
Der Anpfiff von heute morgen wirkt noch nach.
Dieses Gehabe ärgert Catie auch, um so mehr, als sie sich, um die Streu auszuräumen, den Hauptteil der Arbeit hat »grei fen « müssen, wie sie sagt. Da ich spüre, daß sie schon drauf und dran ist, auf ihre Großmutter loszuhacken, greife ich ein.
»Bist du mit Amarante fertig?«
»Ist auch hoch an der Zeit! Was ich da an Miststaub zu schlucken gekriegt hab! War nicht der Mühe wert, mich abzuduschen!
Und meinst du denn, das Striegeln ist leicht, wenn du eine Flinte an dir hängen hast? (Sie lacht, als sie das Wort ausspricht.)
Und dazu dieses blöde Stück Vieh, das an nichts anderes denkt, als Hühner umzubringen! Bei der Gelegenheit kann ich dir’s
ja gleich sagen! Schon wieder mußte eins dran glauben. Da habe ich ihr aber eins über die Schnauze gegeben, deiner Amarante,
daß sie daran denken wird.«
Ich verlange das Opfer zu sehen. Zum Glück ist es eine alte Henne. Ich überreiche sie der Falvine.
|460| »Da, Falvine, du wirst sie rupfen und ausnehmen und dann der Menou bringen.«
Froh über diese leichte Sitzarbeit, die ganz in ihrem Sinne ist, nickt die Falvine zustimmend.
Nun also: Wir warten auf Meyssonnier. Das Leben in Malevil geht weiter. Darüber erstaunt, daß er unbeschäftigt ist, läßt Jacquet
die Arme hängen und sieht mich mit seinen anhänglichen Hundeaugen flehentlich und fragend an. Hervé, der sich elegant mit
einem Fuß aufstützt, streicht sich seinen verführerischen Spitzbart und betrachtet Catie, die ihn nicht ansieht, aber teils
für ihn, teils für mich die Unwiderstehliche spielt, indem sie unnützerweise ihre verschiedenen Körperteile bewegt. Colin
steht an die Mauer gelehnt und beobachtet die Szene mit seinem gondelförmigen Lächeln. Und Falvine hat sich mit dem Huhn auf
den Knien wieder hingesetzt. Sie hat noch nicht angefangen, es zu rupfen, aber das kommt noch. Sie bereitet sich darauf vor.
»Eigentlich«, sagt Catie und wiegt sich weiter in den Hüften, »hat deine Amarante nichts als Fehler. Sie koppt, sie wälzt
sich im Mist, sie bringt die Hühner um.«
»Für dich ist es vielleicht nebensächlich, Catie, doch Amarante ist auch ein sehr tüchtiges Pferd.«
»Ach natürlich, du himmelst sie an!« sagt sie unverschämt. »Die auch! (Sie lacht.) Trotzdem solltest du besser unten an ihrer
Box ein Stück Maschendraht anbringen. Wozu haben wir denn acht Männer im Haus, wenn da nicht mal einer ist, der das machen
könnte.« (Sie lacht und schaut verstohlen auf Hervé.)
Ich lasse die Gruppe stehen und gehe rasch zum Bergfried, hole dort eine Rolle Draht und eine Zange aus dem Lager und vermerke
auf der für Thomas bestimmten Schiefertafel, was ich entnommen habe. Während ich das mechanisch ausführe, denke ich wieder
an Catie und ihren Vorschlag, unsere Kavallerie auszunutzen, und an Meyssonnier und seine wertvolle Bemerkung über die Schießscharten
auf den Zinnen. Plötzlich wird mir klar: Wir alle in Malevil halten uns daran, rasch, sehr rasch die Kriegskunst zu erlernen,
denn Schnelligkeit ist hier die Vorbedingung für unser Überleben. Der Schein trügt: Unser Leben ist ohne Schutz. Das Gesetz,
das sind unsere Gewehre. Und nicht allein unsere Gewehre: unsere Kriegslisten. Wir, die |461| wir zu Ostern keine andere Sorge hatten, als in Malejac friedlich die Wahlen zu gewinnen, sind jetzt darauf
Weitere Kostenlose Bücher