Malevil
am ganzen
Leib war ich schweißgebadet, als käme ich aus dem Wasser. Um die Augen vom Schweiß zu befreien, warf ich den Kopf zurück und
nahm die Gurtgewölbe über mir wahr. Des |79| schwachen Kerzenlichts wegen konnte ich sie nur schlecht erkennen, hatte aber den Eindruck, sie strahlten eine Hitze aus,
als wären sie weißglühend. Und während ich zusah, stumpf und nach Atem ringend, wie meine Schweißtropfen unablässig auf die
brennend heißen Fliesen herabfielen, kam mir der Gedanke, wir wären in diesem Weinkeller eingeschlossen wie Hühner, die mit
gebräunter Haut, von geschmolzenem Fett triefend, in einem Backofen brutzeln. Selbst in diesem Augenblick, da ich die Situation
alles in allem ziemlich richtig erfaßt hatte, hielt ich meine Vorstellung für ein Phantasiebild; ich war derart unfähig, logisch
zu denken, daß ich mir keine Sekunde lang ausmalte, was draußen vorging. Ganz im Gegenteil: Hätte ich die Kraft gehabt, die
beiden Türen zu dem kleinen gewölbten Flur zu öffnen, die Treppe zu ersteigen und hinauszugehen, ich hätte es getan, weil
ich überzeugt war, es wäre draußen so angenehm kühl wie noch vor einer Stunde.
Bei Meyssonnier angelangt, reichte ich ihm die Flasche hin, merkte aber, daß er nicht imstande war, nach ihr zu greifen. So
schob ich ihm den Flaschenhals zwischen die trockenen, aneinanderklebenden Lippen. Anfangs vergoß er viel von dem Wein, doch
sobald sein Mund benetzt war, schmiegten sich seine Lippen besser an das Glas und konnte er rascher schlucken. Mit großer
Erleichterung sah ich die Flasche leer werden, denn es strengte mich ungeheuer an, sie ihm vor den Mund zu halten, und als
er fertig war, hatte ich kaum noch die Kraft, sie abzustellen. Meyssonnier wendete mir sein Gesicht zu, wortlos, aber mit
einem so erbarmungswürdigen und zugleich so kindlichen Ausdruck von Dankbarkeit, daß ich mich in meinem geschwächten Zustand
den Tränen nahe fühlte. Die Tatsache indessen, daß ich ihm Hilfe geleistet hatte, gab mir wieder Kraft. Ich half ihm beim
Entkleiden, und um uns von den glühenden Steinplatten zu isolieren, breitete ich seine Kleider unter uns aus. Dann muß ich,
während mein Kopf neben dem seinen an einem Faß lehnte, für einige Sekunden bewußtlos geworden sein, denn plötzlich fragte
ich mich, wo ich bin und was ich hier mache. Ich sah alles verschwommen und undeutlich, und ich glaubte, der Schweiß blendete
mich. Mit unerhörter Kraftanstrengung fuhr ich mir mit der Hand über die Augen, die Trübung dauerte aber noch ein paar Sekunden
an: Ich hatte nicht einmal mehr die Kraft, meine Sehschärfe anzupassen.
|80| Als sich mein Sehvermögen wieder besserte, gewahrte ich, daß Colin und Thomas sich bemühten, Peyssou zu entkleiden und ihn
trinken zu lassen, und als ich den Kopf mühsam nach rechts drehte, sah ich Momo und seine Mutter, die völlig nackt nebeneinander
lagen, die Menou mit geschlossenen Augen, zusammengekrümmt wie jene prähistorischen kleinen Skelette, auf die man in den Tumulusgräbern
stößt. Ich fragte mich, wie sie die Kraft gefunden haben mochte, sich und vor allem ihren Sohn zu entkleiden, aber ich hörte
sogleich auf, darüber nachzudenken, denn ich hatte einen Plan gefaßt, der alle meine Kräfte erforderte: zu dem Bottich kriechen
und ganz hineintauchen. Wie ich dorthin gelangte, weiß ich nicht, denn die Fliesen waren brennend heiß, aber ich sehe mich
am Bottich wieder, verzweifelt bemüht, mich hochzuschwingen; die linke Hand, mit der ich mich an der Wand abstützen wollte,
mußte ich sofort wieder zurückziehen, als hätte ich eine glühende Eisenplatte berührt. Dennoch ist anzunehmen, daß es mir
glückte, denn ich fand mich dann im Wasser sitzend, das Kinn auf den Knien, die meinem Kopf, der als einziges herausragte,
als Stütze dienten. Wenn ich es mir im nachhinein überlege, bin ich sicher, dies war das heißeste Bad, das ich jemals genommen
habe; für den Augenblick aber hatte ich ein Gefühl von erstaunlicher Frische. Ich erinnere mich auch, daß ich wiederholt von
dem Wasser getrunken habe. Vermutlich bin ich auch eingeschlummert, denn plötzlich fahre ich entsetzt zusammen und bin hellwach,
als die Kellertür aufgeht und einem Menschen Einlaß gewährt.
Ich schaue ihn an. Er macht zwei Schritte vorwärts und bleibt wankend stehen. Er ist nackt. Er hat keine Haare und keine Brauen
mehr. Sein Körper ist so rot und verschwollen, als hätte man ihn
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