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Malevil

Malevil

Titel: Malevil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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eifrig mit der Zukunft eines Dorfes von 412 Einwohnern beschäftigt.
    Dieser Gruppe den Rücken kehrend und im Begriff, sich mit langen Schritten von ihr zu entfernen, Thomas. Zwischen Thomas und
     uns Momo, der mich noch herausfordernd ansieht; in einer Hand hält er sein bereits zur Hälfte ausgepicheltes Glas, in der
     andern seinen Transistor, der weiterhin in voller Lautstärke seine idiotischen Schlager von sich gibt. Neben Momo, wie um
     ihn zu beschützen und um so viel kleiner, die Menou, faltig wie ein vertrocknetes Äpfelchen, aber mit Augen, die noch von
     ihrem Sieg über mich glänzen. Und schließlich ringsum und über uns der riesige Weinkeller mit seinen mächtigen, von unten
     angeleuchteten Gewölben, die das Licht gedämpft auf unsere Köpfe zurückstrahlen.
    Das Ende der Welt, oder vielmehr das Ende jener Welt, in der wir bisher gelebt hatten, begann auf höchst einfache und undramatische
     Weise. Das Licht ging aus. Als es finster wurde, gab es Gelächter, eine Stromunterbrechung, sagte jemand, zweimal schnappte
     ein Feuerzeug, flammte auf und erleuchtete das Gesicht von Thomas. Zündest du die Kerzen an? fragte ich und ging auf ihn zu.
     Oder laß, gib dein Feuerzeug lieber mir, ich mach es selber, ich weiß, wo die Halter sind. Meinen Mund hätte ich auch so gefunden,
     hörte man Peyssous Stimme. Und ein anderer, vielleicht Colin, sagte halblaut und kurz auflachend: Der ist auch groß genug
     dafür. Die Flamme des Feuerzeugs flackerte mir voraus, ich ging an Momo vorüber und merkte, daß sein Transistor nicht mehr
     blökte, die Skala aber immer noch beleuchtet war. Ich zündete die beiden nächstgelegenen Wandleuchter an, im ganzen vier Kerzen,
     und ihr Licht erschien uns nach der Dunkelheit nahezu intensiv, obgleich es den größeren Teil des Kellers in Finsternis beließ.
     Die Wandleuchter waren ziemlich tief angebracht worden, um nicht die Gewölbe zu verschandeln, auf denen nun unsere Schatten
     riesenhaft und geknickt |74| in Erscheinung traten. Ich gab Thomas das Feuerzeug zurück, er steckte es in die Tasche seines Regenmantels und wandte sich
     zur Tür.
    »Endlich hast du deinen Kasten ausgemacht!« sagte ich zu Momo.
    »Ni auemach«, sagte Momo und blickte mich so vorwurfsvoll an, als hätte ich seinen Apparat verhext. »Egennima!«
    »Er geht nicht mehr!« rief die Menou entrüstet. »Ein ganz neuer Transistor! Und gestern erst habe ich in La Roque neue Batterien
     einlegen lassen!«
    »Das wäre wirklich verwunderlich«, sagte Thomas, während er zu uns zurückkam und sein Gesicht wieder im Licht auftauchte.
     »Eben ging er doch noch, hör mal! Hast du vielleicht an den Batterien herumgespielt?«
    »Nein, nein«, sagte Momo.
    »Laß mich mal sehen«, sagte Thomas und legte seine Karten auf einen Hocker.
    Ich dachte schon, Momo würde seinen Transistor nicht hergeben, aber mit der besorgten Miene einer Mutter, die ihr krankes
     Baby einem Arzt anvertraut, überließ er ihn Thomas sogleich. Thomas schaltete die Skalenbeleuchtung aus, dann wieder ein,
     drehte auf höchste Lautstärke und ließ den Zeiger langsam über die Skala gleiten. Es knatterte heftig, aber es kam kein Ton.
    »Hast du ihn fallen lassen, als das Licht ausging? Bist du irgendwo angestoßen?«
    Momo schüttelte den Kopf. Thomas holte ein rotes Taschenmesser aus seinem Mantel und löste die Schrauben des Deckels. Dann
     trat er näher ans Licht und überprüfte das Innere des Transistors.
    »Ich kann nichts Ungewöhnliches feststellen«, sagte er. »Es scheint alles völlig in Ordnung zu sein.«
    Er setzte die einzelnen Schrauben wieder ein, und ich dachte, nun würde er Momo den Apparat zurückgeben und seines Weges gehen,
     doch er blieb still und mit nachdenklichem Gesicht stehen und führte den Zeiger des Transistors über die Skala.
    Schweigend lauschten wir sieben, wenn man so sagen darf, auf das Schweigen des Transistors, als ein Getöse losbrach, von dem
     ich nur durch Vergleiche, die mir alle lächerlich erscheinen, eine Vorstellung vermitteln kann: Donnergrollen, |75| Preßlufthämmer, heulende Sirenen, Flugzeuge beim Durchbrechen der Schallmauer, Lokomotiven in rasender Fahrt. Jedenfalls ein
     Knallen, Klirren und Kreischen, das Maximum von Gellen und Dröhnen auf ein Geräuschvolumen gebracht, das das Wahrnehmungsvermögen
     überstieg. Ich weiß nicht, ob Lärm, wenn er solchen Paroxysmus erreicht, zu töten imstande ist. Ich glaube, er hätte uns getötet,
     wenn er angedauert hätte. Ich

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