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Malevil

Malevil

Titel: Malevil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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amüsieren, wenn du dann so ganz allein in Malevil bist.«
    Es folgte ein so niederdrückendes Schweigen, daß ich den Kopf von meinem Buch hob, in dem ich an diesem Abend nicht eine Zeile
     hatte lesen können; seit der Geburt von Malice schien mein Lebensmut gebrochen zu sein. Die Menou konnte ich gar nicht sehen,
     da sie in der Kaminecke hinter mir saß, und Momo, der sich ihr gegenüber rekelte, nur schlecht, weil die Flammen und der Rauch
     ihn mir verbargen. Die vier Männer aber, die mir zugewandt saßen, konnte ich nach Belieben beobachten, denn ich saß mit dem
     Rücken zum Feuer und bekam Hitze und Lichtschein nur von rechts; die linke Seite blieb so eisig, daß ich mitten am Abend mit
     Hocker und Buch vor den anderen Kaminsockel zog, um mir die zweite Körperhälfte zu wärmen.
    Thomas war wie gewöhnlich unbeteiligt. Von Peyssous gutmütigem Vollmondgesicht mit dem großen Mund, der dicken |134| Nase, den etwas vorquellenden großen Augen und der niedrigen Stirn, wo der Haaransatz fast mit den Brauen zusammenwuchs, war
     die Trostlosigkeit offen abzulesen. Aber noch besorgniserregender war die Bitterkeit des kleinen Colin. Sie hatte ihm jede
     Fröhlichkeit genommen, ohne jedoch sein Lächeln völlig zu verwischen. Meyssonnier sah aus wie eine alte, in einer Schublade
     verblichene Fotografie. Es war zwar immer noch das messerscharfe Gesicht mit den eng beisammenstehenden grauen Augen, der
     schmalen, hohen Stirn und dem kurzen Bürstenschnitt, aber das Feuer war nicht mehr da.
    »Sicher ist das nicht«, sagte Peyssou zu Colin. »Es ist überhaupt nicht erwiesen, daß Thomas, so jung er auch ist, als letzter
     hier übrigbleibt. Wenn es danach ginge, fände man nichts als Alte auf dem Friedhof von Malejac, und du weißt ja, es ist nicht
     so. Das soll keine Kränkung für Thomas sein«, setzte er mit seiner Bauernhöflichkeit hinzu und neigte sich ein wenig zu ihm
     hin.
    »Wie auch immer«, sagte Thomas unbewegt, »wenn ich allein zurückbliebe, kein Problem. Der Bergfried, und hopp!«
    Daß er das bei dem Zustand von Depression, in dem sich alle befanden, aussprach, nahm ich ihm übel.
    »Na weißt du, mein Junge«, sagte die Menou, »da bin ich nicht deiner Meinung. Müßte ich allein in Malevil zurückbleiben, würde
     ich mich nicht davonmachen, solange noch Vieh da ist, das versorgt werden muß.«
    »Richtig«, sagte Peyssou, »das Vieh.«
    »Das Vieh«, sagte der kleine Colin mit bitterer Heftigkeit, die im Widerspruch zu der etwas flattrigen und sprunghaften Heiterkeit
     stand, mit der er sonst sprach, »das Vieh wird auch ohne dich auskommen. Oh, natürlich nicht jetzt, wo alles verbrannt und
     vernichtet ist. Aber wenn wieder Gras wächst, brauchst du Adelaide und Princesse nur das Tor aufzumachen, die werden immer
     etwas finden.«
    »Trotzdem«, sagte die Menou, »die Tiere können den Menschen auch Gesellschaft leisten. Sieh mal, ich weiß noch, die Pauline,
     als die allein auf ihrem Hof zurückgeblieben ist, weil ihr Mann vom Schlag getroffen wurde und vom Hänger stürzte und man
     ihr den Sohn im Algerienkrieg umgebracht hatte. Du wirst es nicht glauben, Menou, sagte sie zu mir, aber ich rede den ganzen
     Tag mit meinen Tieren.«
    |135| »Die Pauline war alt«, sagte Peyssou, »und je älter man ist, desto mehr hängt man am Leben. Warum, weiß ich wirklich nicht.«
    »Du wirst es wissen, wenn du soweit bist«, sagte die Menou.
    »Damit habe ich nicht dich gemeint«, sagte der große Peyssou, der immer darauf achtete, niemand zu verletzen. »Und außerdem
     kannst du dich auch nicht vergleichen. Die Pauline hat sich fast gar nicht mehr vom Fleck gerührt. Und du, du bist ständig
     in Trab.
    »Schon recht!« sagte die Menou. »Ich bin in Trab. Und bin es so lange, bis ich eines Tages auf dem Friedhof lande. – Aber
     still doch, du Memme«, fügte sie an die Adresse von Momo hinzu, »es ist noch immer nicht von morgen die Rede.«
    »Eines«, sagte Meyssonnier, »will mir nicht in den Kopf, und seit Adelaide und Princesse ihre Jungen bekommen haben, denke
     ich oft daran. In fünfzig Jahren kein einziger Mensch mehr auf der Erde, aber es wimmelt von Kühen und Schweinen.«
    »Das ist wahr«, sagte Peyssou, stützte seine kräftigen Unterarme auf die gespreizten Knie und beugte sich zum Feuer. »Ich
     habe auch daran gedacht. Und ich sage dir, Meyssonnier, das ist ein Gedanke, den ich nicht ertrage: Malejac mit Wäldern, Wiesen,
     Kühen, und kein einziger Mensch

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