Malevil
gerade das finde ich gefährlich: die Konfusion.
Wie Emmanuel zu behaupten, daß die Schöpfungsgeschichte eine »großartige Dichtung« sei, heißt etwas allzu wohlwollend die
wissenschaftlichen Irrtümer vergessen, von denen sie wimmelt.
[ Menü ]
|141| 6
Diese ersten Wochen nach dem Ereignis hinterlassen in mir einen Eindruck von grauer Eintönigkeit – in der Außenwelt wie in
unserem Leben –, von dumpfem Schmerz und Auf-der-Stelle-Treten, von einem vermauerten Horizont und undankbaren Anstrengungen.
Denn wir arbeiten viel, häufig an belanglosen Aufgaben, denen wir uns aus Disziplin und auch deshalb unterziehen, weil wir
auch ohne viel Liebe zum Leben versuchen, uns auf das Weiterleben einzurichten.
Während Meyssonnier und Colin letzte Hand an einen Pflug legen, vor den wir dann Amarante spannen können, spannen sich Thomas,
Peyssou und ich vor eine weniger vordringliche, aber auf lange Sicht ebenso nützliche Aufgabe: alle metallenen Gegenstände
zu sammeln, zu zählen und in einem Magazin zu ordnen – selbst solche einbegriffen, die auf den ersten Blick wertlos erscheinen
mögen, die aber, da sie nicht mehr hergestellt werden können, unbezahlbar geworden sind.
Angefangen natürlich mit den Geräten für die Landwirtschaft und dem Handwerkszeug. Ich war damit nicht immer sparsam umgegangen,
weil eine Zange, die man im Gras verrosten ließ oder verbummelte, bisher leicht zu ersetzen war. Von nun an mußte man langsam
einsehen lernen, daß derlei Nachlässigkeit fast schon ein Verbrechen war.
Das Magazin richtete ich im Erdgeschoß des Bergfrieds ein, wo ich Kastenregale für die Äpfel aus einem heute vernichteten
Obstgarten eingebaut hatte. Ich brachte das wertvollste Werkzeug in den verschließbaren Kästen unter, und wir ernannten Thomas
einstimmig zum Lagerverwalter. Das bedeutete, daß von nun an kein Werkzeug mehr ohne einen schriftlichen Nachweis über den
Ausleiher und den Zeitpunkt der Entnahme ausgegeben würde.
Nach Beendigung dieser Aufgabe fiel mir ein, daß ich während des Wiederaufbaus von Malevil in einer leerstehenden Box des
äußeren Burghofs alte, mit Nägeln gespickte Bretter |142| abgelegt hatte, die ich im Winter in die Kamine werfen wollte. Ein bestürzendes Vorhaben! Mit solcherlei Vergeudung war es
jetzt endgültig vorbei. Nichts mehr durfte weggeworfen werden: kein Stück Papier, keine Verpackung, keine leere Konservendose,
keine Plastflasche, kein Stück Seil oder Schnur, kein verbogener oder verrosteter Nagel. Die »Müllecken« wurden gegenstandslos.
Wir holten die alten Kastanienbretter aus der Box. Die Nägel zogen wir mit Hammer und Zange heraus, wobei wir uns bemühten,
die Köpfe nicht zu beschädigen. Und nachdem wir sie einzeln auf einem flachen Stein geradegeklopft hatten, legten wir sie,
nach Größe geordnet, in einen mit Fächern versehenen Kasten des Magazins. Die beschädigten oder verrotteten Holzteile (die
einzigen Stücke, die jetzt zum Verheizen bestimmt waren) sägten wir mit der Hand ab, um den Treibstoff für die Motorsäge einzusparen,
säuberten die Bohlen auf beiden Seiten von Gips- und Mörtelresten und stapelten sie, nach ihrer Länge geordnet, in der Box,
wo wir sie streng in der Horizontale verkeilten, damit sie sich im Laufe der Winter nicht verzögen.
In Hinblick auf Besuche von Touristen hatte ich mich mit einem Vorrat an großen Kerzen versehen. Davon waren zwei Dutzend
übriggeblieben. Vier nahezu unversehrte Kerzen steckten noch in den Wandleuchtern im Weinkeller, und zwei waren erst bis zur
Hälfte verbraucht.
Wir beschlossen, sie mit größter Sparsamkeit zu verwenden, und da ich noch zwei Fässer Öl hatte, fertigte Colin Lämpchen aus
zylindrischen Konservenbüchsen an. Den Rand kniffte er an der einen Seite so zusammen, daß er einen Schnabel bildete, der
den Docht faßte, ein einfaches, aus einem Hanfstrick gezogenes Garn, und an der entgegengesetzten Seite lötete er kleine,
aus dem Deckel herausgeschnittene Metallhenkel an. Von diesen Öllämpchen stellte er so viele her, wie es in Malevil zur Zeit
Schlafräume gab, das heißt vier. Wenn die abendliche Runde beendet war, zündete jeder mit einem brennenden Span sein Öllämpchen
an, um in stockfinsterer Nacht sein Lager aufsuchen zu können. Die Menou erhielt den Auftrag, das Öl zuzuteilen, da sie ja
auch die Verantwortung für das zweite Faß trug, das für die Küche bestimmt war.
Aus einer Dachsparre, die er
Weitere Kostenlose Bücher