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Malevil

Malevil

Titel: Malevil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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einer der großen Kerzen
     aus dem Weinkeller, die mir die Finger mit Wachs bekleckerte, in die Box, um der Menou zu leuchten. Vor Aufregung, aber auch
     weil ich den scharfen Rindergeruch nicht ausstehen konnte, schwitzte ich aus allen Poren. Die Geburt dauerte vier Stunden,
     und die Besorgnis machte uns stumm. Die Kerze, die mir ebenso lästig wurde wie das Tier, gab ich nach einer Weile an Meyssonnier
     weiter, und von |130| nun an ging sie jede Viertelstunde von Hand zu Hand, bis sie wieder zu mir kam. Momo war nicht zu gebrauchen. Er plärrte in
     der Box von Bel Amour wie ein Kalb bei dem Gedanken, wir könnten unsere einzige Kuh verlieren oder gar Bel Amour, deren Zeit
     jetzt auch ganz nahe heran war. Er brachte seine Befürchtungen lauthals in einer Art greinender Litanei zum Ausdruck, und
     die Menou hob ein- oder zweimal den Kopf, um ihn auszuschelten, tat es aber nicht mit der gewohnten Heftigkeit, da sie selbst
     in Ängsten war. Momo spürte das. Er schenkte den mütterlichen Verwarnungen wenig Beachtung und beschränkte sich darauf, seine
     Litanei durch ein kurzes, rhythmisches Ächzen zu ersetzen, als läge er selbst in den Wehen.
    Als das Stierkalb endlich das Licht einer Welt erblickte, die zur Zeit ohne Weidegründe war, taufte die Menou es ohne großen
     Phantasieaufwand auf den Namen Prince.
    Die gute Genesung des Muttertieres und das Geschlecht seines Sprößlings verscheuchten unsere Befürchtungen; unser Optimismus
     erwachte wieder, wurde aber leider schon wenige Tage später im Keim erstickt, als Bel Amour zwar ohne Zwischenfall, jedoch
     mit einem Stutenfüllen niederkam.
    Bel Amour war vierzehn Jahre alt, Amarante drei. Und Malice (so hatte Momo sie getauft, vielleicht weil sie uns enttäuschte)
     einen Tag. Drei Stuten unterschiedlichen Alters und mit unterschiedlichen Anlagen, aber alle drei bestimmt, ohne Nachkommen
     zu sterben.
    An diesem Abend waren wir eine trübselige Runde.
    Gleich nach dem Vergraben der Tierkadaver, was unseren letzten Tropfen Diesel verzehrte, hatte ich mich entschlossen, meine
     Benzinreste – abgesehen von einem Fünfliterkanister, den ich als eiserne Reserve beiseite geschafft hatte – für die Motorsäge
     zu opfern. Und während Meyssonnier und Colin aus dem Pflug, den bisher mein Traktor gezogen hatte, einen Gespannpflug zusammenbastelten,
     begann ich mit Peyssou und Thomas, den Holzvorrat für den Winter anzulegen, wobei wir darauf achteten, selbst zersplitterte
     Baumstämme, wenn auch nur eine Spur von Saft in ihnen zu entdecken war, nicht anzurühren.
    Amarante ließ sich zur Arbeit genauso willig abrichten wie früher zum Reiten und konnte recht bald an die Gabeldeichsel gespannt
     werden, mit der Meyssonnier, noch bevor er sich auf das Problem des Pfluges einließ, meinen Hänger versehen |131| hatte. Das angekohlte Holz, das wir hier und dort, häufig ziemlich weitab von Malevil, in großer Menge zusammentrugen, wurde
     zur Burg gekarrt und im äußeren Burghof in einer der Boxen gestapelt. Die Natur braucht unendlich viel Zeit, um das Holz hervorzubringen,
     das so schnell verbrennt, aber wir hatten den großen Vorteil, die einzigen Verbraucher zu sein und über ein ausgedehntes Areal
     zu verfügen. Dennoch wollte ich, ebensosehr aus Vorsicht wie um uns beschäftigt zu halten, nicht aufhören, ehe nicht die ganze
     Box und auch noch die benachbarte gefüllt war, was uns Heizmaterial für zwei Winter sicherte, falls wir nur ein einziges Feuer
     unterhielten und darauf auch das Kochen besorgten.
    Seit dem Tage des Ereignisses hing ein monoton tiefgrauer Himmel über uns. Es war kalt. Die Sonne hatte sich nicht wieder
     gezeigt. Und Regen ebensowenig. Die Trockenheit bewirkte, daß der mit Asche bedeckte Boden ein pulvriges Aussehen annahm und
     beim leisesten Windhauch schwärzliche Wolken aufwirbelten, die den Horizont noch mehr verdunkelten. In Malevil, wo uns undurchdringliche
     Mauern vor der Außenwelt schützten, spürte man noch ein bißchen Leben. Doch sobald wir zum Holzsammeln die Burg verlassen
     hatten, umfing uns Trostlosigkeit. Die verkohlte Landschaft, die geschwärzten Skelette der Bäume, die bleierne Kappe über
     uns, das Schweigen der vernichteten Fluren, alles schmetterte uns nieder. Ich bemerkte, daß wir, wie auf einem Friedhof, nur
     wenig und mit gedämpfter Stimme sprachen. Wenn das Grau sich einmal aufhellte, hofften wir auf die Wiederkehr der Sonne, doch
     das Grau verdüsterte sich stets von neuem, und wir blieben

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