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Malevil

Malevil

Titel: Malevil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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bist?«
    »Ja.«
    Dann wären wir in dem Glauben, der Krieg sei beendet, vertrauensselig aufgestanden, um unsere Amarante zurückzuholen, und
     dem Vater, der uns mit seiner Doppelflinte hinter seiner Mauer erwartete, geradewegs in den Rachen gelaufen. Für jeden einen
     Schuß.
    Ich preßte die Lippen zusammen.
    »Zieh den Gürtel aus deiner Hose«, sagte ich barsch.
    Er gehorchte und legte dann von sich aus, ohne daß ich es ihm sagte, die Hände wieder auf den Kopf. Seine Gefügigkeit erregte
     ein wenig mein Mitleid: Trotz seiner Körpergröße und seiner breiten Schultern war er ein Kind. Ein von seinem Vater und jetzt
     von mir terrorisiertes Kind. Ich befahl ihm, die Hände auf den Rücken zu halten, und band sie ihm mit seinem Gürtel zusammen.
     Erst hinterher erinnerte ich mich an die Leine in meiner Tasche: damit band ich ihm die Füße zusammen; dann nahm ich sein
     Taschentuch von der Bogenspitze ab und knebelte ihn. Ich tat das alles rasch und entschlossen, fand mich dabei aber doppelt
     und sah meinen eigenen Handlungen zu, als wäre ich ein Darsteller in einem Film.
    Ich begab mich zu Thomas und kniete mich hin. Ich überlegte. Der Vater mußte jetzt wissen, daß seine Falle durchschaut war,
     aber deshalb würde er noch nicht aufgeben. Und wir, wir würden weder hierbleiben noch weggehen können.
    »Thomas«, flüsterte ich.
    »Ja?«
    »Du überwachst die Mauer, die Felswand und den Hügel. Ich will versuchen, den Vater über den Hügel zu umgehen.«
    »Du wirst ohne Deckung sein.«
    |173| »Am Anfang nicht. Du aber schießt, sobald du etwas siehst, sei es nur der Lauf eines Gewehrs. Und du hörst nicht auf. Wenigstens
     ist er dann gezwungen, den Kopf einzuziehen.«
    Ich kroch an der Mauer entlang auf den Hügel zu. Schon nach wenigen Metern fing die Hand, in der ich den Karabiner hielt,
     zu schwitzen an, und mein Herz begann zu klopfen. Doch ich war mit der Art zufrieden, wie ich den hinterhältigen Plan des
     Höhlenmenschen vereitelt hatte. Ich fühlte mich zuversichtlich.
    In dem Niemandsland zwischen den zwei gegnerischen Mauern bildete der Hügel eine Art Vorsprung und lief dann in die kleine
     Ebene aus. Ich rechnete damit, daß ich dadurch während des Aufstiegs der Sicht des Vaters entzogen wäre, bis ich hoch über
     ihm war. Doch hatte ich nicht mit der Schwierigkeit der Besteigung gerechnet. Der Hang war sehr steil, der Untergrund war
     bröckelig und bot, da der Pflanzenbewuchs verschwunden war, nur unsicheren Halt. Um beide Hände gebrauchen zu können, mußte
     ich den Karabiner umschnallen. Nach zehn Minuten war ich ganz durchnäßt, mir zitterten die Knie, und ich war so außer Atem,
     daß ich haltmachen mußte, um zu verschnaufen. Mühselig klammerte ich mich mit beiden Händen fest, hatte die Fußspitze auf
     einer Felszacke und hielt mich so aufrecht. Ein paar Meter über mir konnte ich den Gipfel des Vorsprungs, genauer gesagt:
     die Stelle sehen, wo er sich im Relief des Hügels verlor. Sobald ich diesen Punkt erreicht hätte, wäre ich der Sicht des Mannes
     hinter seinem Mäuerchen ausgesetzt, und ich fragte mich beklommen, wie es mir gelingen sollte, dann einen hinreichend festen
     Stand zu finden, um mein Gewehr von der Schulter zu nehmen und zu zielen, ohne das Gleichgewicht zu verlieren. Während mir
     der Schweiß in die Augen rann, die Glieder von der gewaltsamen Anstrengung zitterten und die Brust beim Atemholen zu eng wurde,
     war ich so entmutigt, daß ich mein Vorhaben schon aufgeben und nach unten zurückkehren wollte. Gerade in diesem Moment, als
     mir das Blut in den Schläfen dröhnte, mußte ich an Germain denken. Genauer: Ich sah Germain, wie er auf dem Hof der Sept Fayards
     in Hemdsärmeln Holz sägte. Er war groß und schwer, und da er an einem Emphysem litt, begann er, sobald er sich zu sehr anstrengte,
     ganz eigentümlich stoßweise und keuchend nach Atem zu ringen. Und während ich jetzt wieder gleichmäßig |174| atmete und das Klopfen in meinen Schläfen aufhörte, kam mir mit einemmal eine Tatsache zu Bewußtsein, die mich tief bestürzte:
     Ich hörte das Atmen Germains. Es war nicht mein eignes, mit dem ich es zuerst verwechselt hatte. Ich vernahm es deutlich,
     es kam von der anderen Seite des Vorsprungs herüber. Der Vater hatte dort einen Weg eingeschlagen, der auf meinen zulief.
    Der Schweiß brach mir aus allen Poren, und ich meinte, das Herz wollte mir stehenbleiben. Wenn der Vater vor mir auf den Gipfel
     gelangte, würde er mich als

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