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Malfuria. Das Geheimnis der singenden Stadt

Malfuria. Das Geheimnis der singenden Stadt

Titel: Malfuria. Das Geheimnis der singenden Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Hand gewickelt hatte. Die Verbrennung tat noch immer weh, doch wenn er Catalina anschaute, dann war er froh über das, was er getan hatte. Was wäre geschehen, wenn der Fledermausschatten ihr ins Gesicht geflogen wäre? Wäre sie auch zu einem der Schattenaugenmenschen geworden? Oder Schlimmeres?
    »Meine Mutter ist eine Hexe«, hallte es in seinem Kopf nach. Aber wer oder was war Catalina?
    Eine Weile saß Jordi nur da und sah zu, wie das Mädchen schlief. Sie hatte sich noch nicht einmal Zeit genommen, die Zöpfe zu lösen. Ganz tief waren ihre Atemzüge, aber ihre Augenlider flatterten, als ob sie träumte.
    Am Kopfende des Bettes war genügend Platz für ihn. Auch er hätte sich zusammenrollen und ein wenig schlafen können. Aber er war zu unruhig.
    Nein, er würde kein Auge zumachen können in dieser Nacht. Dafür war zu viel passiert. So viele Fragen gab es, die nach Antworten verlangten.
    Ein plötzliches Lächeln erhellte sein Gesicht. Antworten, dachte er, findet man in Büchern. Hatte Firnis nicht genau das gesagt?
    Jordi fuhr sich mit der Hand durchs Haar und schloss kurz die Augen, atmete durch. Es wäre einen Versuch wert.
    Abertausende von Geschichten lebten unten in der Bibliothek. Er musste sie einfach nur suchen. Und am Ende würde er vielleicht sogar über Antworten stolpern.
    Er stand auf. Leise, behutsam, trat er zur Tür. Er hörte, wie Catalina sich zur Seite wälzte, und fragte sich zögerlich, ob er wohl in ihrem Traum vorkäme. Nein, er wollte die Antwort darauf gar nicht wissen. Aber es war schön, darüber nachzudenken. Es war ein wunderbarer Gedanke – einer von der Sorte, die Mut machen und gleichzeitig das Herz erwärmen. Genau das, was man brauchte, wenn draußen die Finsternis lauerte.

Die tote Stadt
    Als Catalina am nächsten Morgen erwachte und sich im Bett herumdrehte, wurde ihr ganz plötzlich bewusst, dass sie allein war. Sie dachte an Jordi und öffnete die Augen.
    Nichts!
    Dann fiel ihr Blick auf den Boden und… da schlief er.
    Ein Buch lag als Kissen unter seinem Kopf. Seine braunen Haare sahen aus, als hätten Tiere darin genistet und die Ränder unter seinen Augen waren dunkel und tief.
    Catalina setzte sich auf, gähnte und rieb sich blinzelnd übers Gesicht. Dann sprang sie vom Bett und kniete sich neben den Jungen. »Jordi«, flüsterte sie und fasste ihn an der Schulter an.
    Er grummelte etwas, das kein Mensch verstehen konnte, schlief aber weiter.
    »Du siehst aus, als wärst du die ganze Nacht über auf den Beinen gewesen«, sagte Catalina, mehr zu sich selbst.
    Dann rüttelte sie erneut an seiner Schulter. »Jordi?«
    Keine Reaktion.
    Plötzlich hatte sie eine Idee. Sie schlüpfte in die Sandalen vor dem Bett. Rasch lief sie nach unten in die Küche, wo sie Pérez um eine Tasse starken Kaffee bat. Er schenkte ihr die pechschwarze Brühe ein und mit der Tasse in der Hand ging Catalina zurück in den Spitzturm. Der Junge lag noch immer auf seinem Buch und schlief. Er schnarchte ganz leise.
    Catalina stellte ihm die Tasse mit dem dampfenden Kaffee direkt vors Gesicht und wedelte mit der Hand den Dampf in Richtung Nase.
    »Jordi?«
    Sie kniete sich wieder neben ihn und wartete.
    Er verzog das Gesicht.
    »Jordi, es ist Tag!«
    Langsam, unendlich langsam, öffnete er die Augen. Verwundert blinzelte er ihr entgegen.
    »Du bist noch da?«, fragte er.
    »Nein, bin ich nicht. Du redest mit der Kaffee-Fee.«
    Er lächelte und sie stupste ihn an. »Los, steh auf. Du kannst nicht den ganzen Tag verschlafen.« Sie sprang auf und lief zum Fenster.
    Jordi räkelte sich. Er schnüffelte an seiner Tasse.
    »Du hast mir Kaffee gebracht.«
    Wie romantisch das klang…
    »Ich hätte dir auch einen Eimer Wasser über den Kopf geschüttet, damit du wach wirst.«
    »Hättest du?«
    »Ich bin bloß zu faul gewesen«, stellte sie klar, »den Eimer die Wendeltreppe hochzuschleppen.«
    Er grinste müde. »Das glaube ich dir aufs Wort.«
    Sie schauten einander an und im Bruchteil eines Augenblicks spürten sie, wie sich ein unbeschwertes Leben anfühlt.
    Dann sagte Jordi: »Ich habe etwas herausgefunden.« Und begann zu erzählen.
    Es war ein spinnwebverhangenes Schauermärchen, auf das Jordi in der Nacht gestoßen war.
    Catalina war ihm in die Bibliothek gefolgt, wo er, wie er sagte, fast die ganze Nacht damit verbracht hatte, die Nase in staubige Bücher zu stecken. Firnis, Pérez und Reverte hatten ihm geholfen, die Bände herauszusuchen. »Es war wie ein Puzzlespiel«, sagte Jordi und seine

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