Malibu wartet auf dich
welche
"Entscheidung" ihn hergebracht hatte, schien ihr dies nicht der rechte Moment, um danach zu fragen. Brian wirkte - vorsichtig ausgedrückt - recht störrisch.
Am liebsten hätte Sarah ihn umarmt, aber er war inzwischen in einem Alter, in dem allzu offen zur Schau gestellte Gefühle ihm nur peinlich gewesen wären. Also benahm sie sich weiterhin völlig ungerührt, als wäre es die normalste Sache von der Welt, dass ihr Neffe nach zehn Jahren völlig unerwartet wieder aufgetaucht war.
"Könntest du das für mich tragen?" Sie reichte ihm die Leinwand. "Vorsicht, die Farben sind noch feucht."
"Wow! Das ist gut", stellte er bewundernd und überrascht zugleich fest. "Bist du Malerin?"
"Nein." Sarah klemmte sich die Staffelei und den Klappstuhl unter den Arm und lächelte Brian dankbar an, als dieser den Kasten mit Ölfarben aufhob. "Ich habe keine Lust, von der Hand in den Mund zu leben und auf den ,großen Durchbruch' zu warten. Normalerweise unterrichte ich Kunst, und nur in den Ferien male ich."
Brian musterte sie erstaunt. "Du siehst gar nicht aus wie eine Schullehrerin."
Diese Reaktion war Sarah von anderen Kindern seines Alters bereits vertraut. Lehrer repräsentierten eine Autorität, gegen die Jugendliche sich mehr oder minder auflehnten. "Tragen Lehrerinnen in Amerika keine Shorts und Bikinioberteile?"
neckte sie ihn.
"Jedenfalls nic ht in der Schule", konterte er.
"Das tue ich auch nicht", versicherte sie, während sie nebeneinander den Strand entlang zu ihrem Heim gingen, das auf einer Anhöhe lag.
Es war eigentlich mehr ein Cottage als ein Haus: drei kleine Schlafzimmer und ein Bad über dem Wohnraum und der Küche.
Sarah wusste, dass Brian und sein Vater in einem palastähnlichen Gebäude in Malibu wohnten. Fasziniert hatte sie Amandas begeisterte Schilderung des Hauses und des Swimmingpools gelesen, als ihre Schwester vor mehr als sechzehn Jahren zu Garrett Kingham gezogen war. Als Zehnjährige war Sarah damals zutiefst beeindruckt gewesen.
Gewiss würde das Cottage auf Brian sehr klein wirken -
Amanda jedenfalls hatte sich bei ihren seltenen Besuchen nach der Hochzeit regelmäßig über die beengten Verhältnisse beklagt.
Für Sarah jedoch war es ein Zuhause, und sie liebte es.
"Es ist weniger deine Kleidung", meinte Brian, noch immer verwundert. "Du siehst einfach nicht alt genug aus, um schon Lehrerin zu sein."
Sarah warf ihm einen amüsierten Blick zu. "Ich bin noch nie mit einer meiner Schülerinnen verwechselt worden." Sie öffnete die Haustür und verstaute ihre Utensilien in einer kleinen Kammer neben der Diele. "Hast du schon gegessen, oder soll ich dir eine Kleinigkeit machen?"
"Ich habe gegessen", entgegnete er schulterzuckend und sah sich neugierig um. "Danke", fügte er verlegen hinzu, als sie ihn betont erwartungsvoll anschaute. "Vielleicht bist du doch eine Lehrerin."
"Vielleicht." Sie nickte. Ihre Augen funkelten. "Möchtest du etwas trinken?"
"Cola?"
"Wenn du willst." Sarah ging voraus in die Küche, einen langen Raum, der sich über die gesamte Seite des Cottage erstreckte. Die großen Fenster boten einen herrlichen Blick auf den Strand und die See. "Setz dich." Sie deutete auf die Hocker, die ordentlich aufgereiht vor dem Frühstückstresen am Fenster standen. "Hattest du eine weite Reise?" erkundigte sie sich scheinbar gelangweilt, während sie den Kühlschrank öffnete.
Brian lächelte. Sein Gesicht wirkte auf einmal jungenhaft, das betont männliche Gebaren, das er seit seiner Ankunft an den Tag gelegt hatte, war verschwunden. "Du bist ziemlich hartnäckig, oder?" Er nahm die Coladose entgegen, verzichtete auf ein Glas und trank gierig aus der Büchse.
"Und du weichst mir aus."
"Meinst du, mein Großvater wird noch lange weg sein?"
Sarah runzelte die Stirn. Wäre Brian einer ihrer Schüler gewesen, hätte sie genau gewusst, wie sie mit ihm umgehen musste, aber er war der Neffe, den sie seit zehn Jahren nicht mehr gesehen hatte. Sie freute sich viel zu sehr, ihn bei sich zu haben, und wollte ihn nicht wieder verlieren, nur weil sie ihn zu eindringlich befragt hatte. Zweifellos würde er ihr alles erzählen, wenn man ihm nur Zeit ließ. Eines stand für sie jedoch schon fest: Sein Vater hatte nicht die leiseste Ahnung, wo er war, und so, wie sie Garrett Kingham kannte, würde er vor Wut schäumen, wenn er herausfand, dass Brian zu ihnen gekommen war.
"Er ist bestimmt gleich zurück", versicherte sie, obwohl sie sich insgeheim über das lange Fortbleiben
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