Malice - Du entkommst ihm nicht
wusste nicht, wie viele Verfolger hinter ihr her waren.
Erst als sie aus dem Wald auf das Spielfeld zulief, spürte sie, wie ihre Lunge brannte. Sie war nie so sportlich gewesen wie Seth, der sein halbes Leben an der frischen Luft verbracht hatte. Dass sie viele Stunden vor dem Computer gehockt hatte und ihn bei Counter Strike locker in die Tasche stecken konnte, nützte ihr jetzt leider überhaupt nichts.
Plötzlich ertönte ein Schrei. Diesmal war er so laut, dass sie erschrocken zusammenzuckte. Er begann als hohes Heulen und wurde dann zu einem immer tiefer werdenden Knurren, das sich schließlich in ein hyänenhaftes Kreischen verwandelte.
Er hatte ganz nah geklungen. Viel zu nah. Kady sah sich panisch nach allen Seiten um und suchte die Umgebung nach einem Hinweis ab, wo die Bestie sich versteckt haben könnte. Lauerte sie womöglich schon direkt hinter ihr? Oder vor ihr? Rannte sie vielleicht gerade auf sie zu? Da vorn! Irgendetwas jagte in großen Sprüngen an der Hecke entlang, die das andere Ende des Rugbyfelds begrenzte. Etwas, das riesig wa r … und aussah wie eine Raubkatze. Eine wilde Raubkatze!.
Oh mein Gott .
Kady erwachte aus ihrer Starre und stürmte auf den Hang zu, hinter dem die Straße lag. Nur fort von diesem Ungeheuer! Im gleichen Moment zerfetzte röhrendes Gebrüll die Stille. Kady sah sich nicht um, hielt den Kopf gesenkt und rannte, so schnell sie konnte.
Sie kämpfte sich keuchend zwischen den Bäumen den Abhang hoch, Zweige peitschten ihr ins Gesicht, verfingen sich in ihrem Rucksack, zerkratzten ihr die Arme. Ihre Beine zitterten vor Anstrengung.
Sie hörte, wie das Tier hinter ihr krachend durchs Unterholz brach. Wie es knurrend zwischen den Bäumen hindurch auf sie zusprang und wie sich der Abstand zwischen ihnen immer mehr verringerte.
Die Verzweiflung verlieh Kady beinahe übermenschliche Kräfte. Mit jedem Schritt zwang sie ihre Beine, noch schneller zu laufen, und trieb sich immer weiter vorwärts. Sie erreichte die Anhöhe und sah auf die Straße. Aber die Bestie war bereits dicht hinter ihr.
Sie rannte so panisch den Hang hinunter, dass sie das Gleichgewicht verlor und stolperte. Noch im Fallen erhaschte sie einen flüchtigen Blick auf geschlitzte Augen, die sie aus dem Dickicht anfunkelten. Dann rollte sie auch schon mit schepperndem Rucksack den Abhang hinunter. Sie versuchte sich abzufangen, hatte jedoch zu viel Schwung und landete mitten auf der Fahrbahn. Stöhnend hob sie den Kopf. Sie sah direkt in die Scheinwerfer eines Autos.
Kady kniff die Augen zusammen und ihr gellender Schrei vermischte sich mit dem Quietschen der Bremsen.
Der letzte Zug
1
Kady hielt sich schützend die Hände vors Gesicht, als könnte sie dadurch verhindern, zwischen tonnenschwerem Metall und dem Asphalt zermalmt zu werden. Sie wartete auf den scharfen Schmerz, die gnädige Ohnmacht, aber nichts davon trat ein.
Sie öffnete die Augen.
Der Kühlergrill war nur einen winzigen Zentimeter von ihr entfernt. Scheinwerfer blendeten sie. Der Motor lief.
Sie ließ ihren Blick panisch über den Hang schweifen, den sie heruntergerollt war, aber von der Bestie fehlte jede Spur.
Ich bin nicht tot , dachte sie, als sie hörte, wie der Fahrer die Tür aufriss und ausstieg. Erschöpft blieb sie liegen. Ihr ganzer Körper schmerzte und brannte von den Abschürfungen, die sie sich auf dem Asphalt zugezogen hatte. Aber ich bin nicht tot.
Als sie hörte, wie der Fahrer auf sie zukam, hielt sie sich die Hand vor die Augen, damit das gleißende Licht des Scheinwerfers sie nicht länger blendete.
»So trifft man sich wieder«, quäkte eine hohe Fistelstimme.
Nein!
Sie versuchte wegzukriechen, aber Icarus Scratch war schneller. Er packte sie brutal am Handgelenk und riss sie auf die Füße.
»Wenn ich gewusst hätte, dass du es bist, du widerliches kleines Biest, hätte ich nicht gebremst!«, zischte er. Seine kleinen Äuglein in dem nackten, blassen Gesicht funkelten böse. Sein Atem roch nach saurer Milch. »Nette Verfolgungsjagd, die du uns da geliefert hast. Wir sind schon lange hinter dir her.«
»Ich habe nichts getan!«, wehrte sich Kady. »Ich habe alles vergessen, genau wie Sie es von mir verlangt haben!« Was nicht ganz stimmte, aber woher sollten die das schon wissen? Nach der Begegnung mit Miss Benjamin hatte sie keine weiteren Nachforschungen mehr angestellt. Sie hatte nichts getan, außer das Heft zu lesen, von dem sie nicht einmal wussten, dass sie es mitgenommen hatte.
»Kann sein.
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