Malice - Du entkommst ihm nicht
denn geschafft, in solche Schwierigkeiten zu geraten?«
»Wenn ich das wüsste«, seufzte sie. »Aber ich kann mich nicht erinnern.«
Graham sah sie zweifelnd an. »Ich kann dich ins Krankenhaus bringen, wenn du willst. Dort können sie dir bestimm t …«
»Ich muss den letzten Zug erwischen«, sagte Kady.
Seit ihr klar geworden war, dass der merkwürdige weiße Geldschein ein Zugticket nach Malice war, kannte sie nur noch ein Ziel.
Die einzige andere Möglichkeit, nach Malice zu kommen, bestand darin, Tall Jake zu rufen. Aber irgendwie hatte sie den dunklen Verdacht, dass das nicht besonders klug gewesen wäre.
Blieb also nur der Zug. Das Ticket garantierte ihr einen Platz für eine Fahrt nach Malice. Sie hatte zwar keine Ahnung, woher sie das wusste, aber irgendetwas, was tief in ihrer Erinnerung begraben lag, sagte ihr, dass es so war.
Nervös warf sie einen Blick auf ihre Armbanduhr. Zwei Minuten vor Mitternacht. Der letzte Zug fuhr um acht nach.
»Wo willst du überhaupt hin? Mit dem Zug, meine ich.« Graham dachte einen Moment nach. »Hör zu. Ich kann dich überall hinfahren, du musst mir nur sagen, wo du hinwillst. Was hältst du davon?«
Kady entfuhr ein lauter Schluchzer, der sie selbst überraschte. Innerhalb von nur einer Stunde war ihr Leben vollkommen umgekrempelt worden. Eben noch wäre sie fast gestorben und jetzt war da plötzlich dieser fremde Mann, der so nett und hilfsbereit war. Ihr gelang es nur mit Mühe, die Tränen zurückzuhalten.
»Hey, hey«, sagte Graham. »So schlimm kann es doch gar nicht sei n …«
Kady kämpfte weiter gegen die Tränen an. Sie durfte jetzt nicht weinen. Noch nicht.
»Danke«, presste sie hervor. »Das ist wirklich unheimlich nett von Ihnen. Aber ich muss dringend diesen Zug erreichen.«
Graham runzelte besorgt die Stirn. Er richtete seinen Blick wieder auf die Straße und drückte aufs Gas.
Schweigend fuhren sie durch den Ort. Die Straßen waren fast ausgestorben. Kady lauschte auf das sanfte Brummen des BMW und versuchte nicht daran zu denken, dass Greg im Wald nach ihr suchte, wo die Bestie lauerte.
Als sie die kurze Zufahrtstraße zum Bahnhof erreichten, packte sie Graham am Arm. »Halten Sie bitte hier an.«
Er fuhr rechts ran. Kady beugte sich in ihrem Sitz vor und warf einen prüfenden Blick nach draußen. Die Straße führte an einem Parkplatz vorbei und mündete in einen Kreisverkehr, an dem tagsüber Taxis warteten. Direkt dahinter befand sich der niedrige Fahrkartenschalter. Hinter einem zwei Meter hohen Metallzaun lagen die beiden Gleis e – eines für die Züge in Richtung Norden, das andere für die in Richtung Süden. Der Weg zu den Bahnsteigen wurde von Drehkreuzen versperrt.
Am Fahrkartenschalter stand Miss Benjamin und überwachte den Platz.
Kady fluchte leise. Sie mussten erraten haben, dass sie mit dem Zug fahren wollte.
»Gehört sie auch dazu?«, erkundigte sich Graham.
Kady nickte stumm und warf wieder einen Blick auf ihre Uhr. Acht Minuten nach Mitternacht. Der Zug hatte bereits Verspätung. Aber sie konnte sich sowieso nicht vorstellen, dass es ihr gelingen würde, unentdeckt an Miss Benjamin vorbeizukommen.
»Glaubst du, du schaffst es, dich an ihr vorbeizuschleichen, wenn ich sie ablenke?«, fragte Graham.
Kady sah ihn erstaunt an. »Das würden Sie für mich tun?«
Er seufzte. »Wenn du sagst, dass die Polizei dir nicht helfen kann, dann glaube ich dir das. Wenn du sagst, dass das der einzige Weg ist, dann ist es der einzige Weg. Ich kann mir zwar nicht vorstellen, warum du das alles wirklich ganz alleine durchstehen musst, aber ich habe gesehen, wie brutal der Mann war und ich habe diese n … ich habe den Schrei im Wald gehört.« Sein Blick wanderte in die Ferne und auf sein Gesicht trat ein merkwürdig abwesender Ausdruck. »Weißt du, ich bin nur ein ganz normaler Mann, habe Frau und Kinder, arbeite im Büro. Ich bin niemand Besonderes. Aber ich bin nicht naiv. Ich weiß, dass es Dinge gibt, die meinen Horizont übersteigen. Manchmal passieren sie sogar direkt vor meinen Augen.« Sein Blick wurde wieder konzentriert. »Du musst diesen Zug erwischen, oder?«
»Ja.«
»Dann schlage ich vor, du krabbelst auf die Rückbank und schlüpfst zur hinteren Tür hinaus, sobald ich sie in ein Gespräch verwickelt habe.«
Kady beugte sich zu ihm vor und drückte ihm hastig einen Kuss auf die Wange.
»Wofür war der denn?«, fragte er.
»Dafür, dass Sie jemand ganz Besonderes sind«, sagte sie. Dann kletterte sie durch
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