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Malice - Du entkommst ihm nicht

Malice - Du entkommst ihm nicht

Titel: Malice - Du entkommst ihm nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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wenige Schritte und Miss Benjamin würde sie eingeholt haben.
    Der Gedanke, dieser abstoßenden Kreatur in die Hände zu fallen, die sich hinter der Maske der alten Dame verbarg, verlieh Kady ungeahnte Kräfte. Sie legte noch einen Zahn zu, sprang auf das Trittbrett des fahrenden Zugs auf, klammerte sich im Rahmen des geöffneten Schiebefensters fest und zwängte sich kopfüber in den Wagen hinein. Kurz bevor sie mit einem dumpfen Aufprall im Inneren des Zugs landete, spürte sie Miss Benjamins spitze Fingernägel an ihren Waden.
    4
    Kady rappelte sich keuchend auf und steckte den Kopf zum Fenster hinaus. Miss Benjamin stand am Ende des Bahnsteigs und starrte hasserfüllt dem Zug hinterher. Für den Bruchteil einer Sekunde blitzte in ihrem Gesicht die Fratze des Dämons auf.
    Kady zog den Kopf wieder ein, schob das Fenster zu und ließ sich an die Wand gelehnt zu Boden sinken. Eine Weile lang saß sie einfach so da und tat nichts, als dem Rattern des Zugs zu lauschen und sich von seinem Rütteln einlullen zu lassen.
    Sie hoffte, dass Miss Benjamin Graham nicht mit ihr in Verbindung gebracht hatte. Er wa r – wie er selbst gesagt hatt e – nur ein ganz normaler Mann. Genau so ein Mann, wie Seth niemals werden wollte. Und doch hatte dieser Mann ihr heute Nacht das Leben gerettet.
    Sie zog das weiße Ticket aus der Tasche und betrachtete es.
    »Tja«, murmelte sie leise. »Und jetzt?«
    Sie stand auf, griff nach ihrem Rucksack und ging durch die Schiebetür in den Großraumwagen, der leer war bis auf ein junges Pärchen, das aneinandergekuschelt schlief. Kady blieb unschlüssig im Mittelgang stehen und wartete darauf, dass irgendetwas passierte.
    Sie stand immer noch dort, als der Zug in einen Tunnel einfuhr. Das Licht flackerte und ging für einen Augenblick ganz aus. Als es wieder hell wurde, stand Kady nicht mehr im selben Zug.
    Ihr stockte der Atem. Das schlafende Pärchen war verschwunden. Statt der gepolsterten Sitzplätze standen da plötzlich unbequem aussehende Bänke aus gebogenem Metall. Die Lampen an der Decke des Waggons glühten hinter Drahtkörben und die Fenster sahen aus wie die Bullaugen eines Schiffs. Alles war anders, roch anders und fühlte sich anders a n – und doch irgendwie vertraut.
    Sie war in Malice.
    »Die Fahrscheine, bitte!«, forderte eine Stimme hinter ihr sie auf.
    Sie drehte sich langsam um und hielt dem Schaffner ihren Fahrschein hin. Er griff danach.
    »Wo soll es denn hingehen, junges Fräulein?«, erklang eine vornehme Stimme aus dem Loch in der weißen Maske.
    Kady öffnete den Mund, aber es kam kein Ton heraus. Sie schluckte und setzte noch einmal an.
    »Ich suche meinen Freund Seth.«
    Es war nur ein Versuch. Kady hatte nicht die leiseste Ahnung, wo Seth gerade steckte. Eigentlich wollte sie zum Uhrenturm fahren, weil sie hoffte, dort einen Hinweis zu bekommen. Sie hatte keinen Grund anzunehmen, dass der Schaffner überhaupt wusste, wer Seth war, geschweige denn, wo er sich aufhielt.
    Aber er wusste es.
    »Er ist in der Oubliette ausgestiegen.«
    Kady sah in die leeren schwarzen Augenhöhlen der Maske. Damit war es besiegelt. Jetzt gab es kein Zurück mehr.
    »Gut. Dann will ich da auch hin.«

























Zeit totschlagen

    1
    Seth hörte ein Glitschen in der Dunkelheit. Müde hob er den Kopf.
    »Bist du wach?«, krächzte er.
    Justin stöhnte. »Glaub nicht. Ich hab gerade einen Albtraum.«
    »So ein Zufall! Ich auch«, murmelte Seth.
    Justin hustete. Wieder schmatzte es im Schlick. Bei jeder Bewegung stießen sie gegen etwas widerwärtig Weiches, das irgendwann in die Grube gefallen und in der schleimigen Drecksbrühe ertrunken war. Der süßlich faulige Gestank war kaum auszuhalten, und obwohl Seth sich mittlerweile halbwegs daran gewöhnt hatte, war ihm ständig leicht übel. Er bezweifelte, dass er irgendetwas Essbares bei sich behalten hätt e – wenn sie denn etwas gehabt hätten.
    Die beiden konnten die Zeit, die sie jetzt schon in diesem Drecksloch hockten, nur an ihrem Hunger und ihrem Durst abschätzen, einen anderen Anhaltspunkt hatten sie nicht. Keiner von ihnen trug eine Armbanduhr und Justin hatte sein Handy längst weggeworfen, weil es hier ohnehin nichts nützte.
    »Das ist einer der Vorteile an Malice«, hatte er Seth grinsend erzählt. »Hier ist das totale Funkloch. Es kann dir zwar passieren, dass du von ’ner riesigen Mutantenspinne gefressen wirst, aber wenigstens musst du nicht neben irgendeinem Trottel sitzen, der in sein Handy brüllt,

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