Malice - Du entkommst ihm nicht
lassen müssen, aber die kannten meinen Bruder und deswegen haben sie mir drei Monate Knast aufgebrummt. Die nennen das zwar ›Jugendverwahrung‹, aber das ist praktisch dasselbe. Da sperren sie die Kids weg, die fürs richtige Gefängnis noch zu jung sind. Eigentlich war’s da gar nicht mal so schlimm, fast wie in ’nem Internat oder so.
Na ja, und dort hab ich zum ersten Mal von Malice gehört. Die Jungs haben zwar aus lauter Langeweile jede Menge Scheiß erzählt, aber diese Gerüchte über Malice hab ich immer wieder gehört. Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, fällt mir auf, dass in dem Jahr ein paar Jungs verschwunden sind, und wir alle dachten, dass die getürmt wären. Die waren unsere Helden. Tja, kann gut sein, dass sie bloß Tall Jake gerufen haben.
Ich hab dir ja schon erzählt, dass ich mich echt lange mit Malice beschäftigt hab. Dabei hab ich mitgekriegt, dass man nie weiß, wann er kommt. Auch wenn man alles richtig gemacht hat, den Spruch und das Ritual und so, ist das noch lange keine Garantie dafür, dass er einen auch wirklich holt. Manche Leute holt er ni e … oder jedenfalls hat er sie bis jetzt nicht geholt. Manchmal denke ich, dass er vielleicht nur die holt, die wirklich nach Malice wollen oder die ganz fest dran glauben. Vielleicht wartet er ja auch, bis die Leute echt glücklich sind und alles super läuft, und holt sie dann erst.
Jetzt bin ich aber ganz schön abgeschweift. Wo war ich? Ach so, ja. Im Knast gab’s so einen Typ, der geschworen hat, er würde jemanden kennen, der jemanden kennen würde, der mir eine Ausgabe von Malice besorgen könnte. Ich hab ihn ehrlich gesagt für einen Schwätzer gehalten, aber als ich rausgekommen bin, hab ich den Kerl angerufen. Wir haben uns getroffen und der Typ hat sich voll aufgespielt und so getan, als wäre die Sache topsecret. Ich hab gedacht, das ist bloß so ein durchgeknallter Spinner, aber ’n paar Tage später lag das erste Heft im Briefkasten. Keine Briefmarke, kein Absender, nichts. Es war einfach da.
Danach wurde es mit meinem Dad immer heftiger. Meine richtige Mutter war ja schon lange weg, aber während ich im Knast gewesen bin, hat Mum Nummer drei auch noch die Kurve gekratzt. Dad hat angefangen, mich wegen jeder Kleinigkeit zu verprügeln. Die Comics waren wie so ’ne Art Insel für mich, auf der ich mich verkriechen konnte. Ich hab die Dinger echt verschlungen. Ich hab nie rausgekriegt, wer sie in den Briefkasten geworfen hat, aber ich hab sie gelesen, bis die Farbe verschwunden war, und dann hab ich sehnsüchtig auf das nächste Heft gewartet. Einmal hab ich versucht, ein Heft im Copyshop zu kopieren, weil ich es unbedingt behalten wollte, aber die Seite kam komplett weiß raus. Ich schätze, das Papier ist mit einer lichtreflektierenden Folie beschichtet, die sich nicht kopieren lässt. Ziemlich clever.
Ich hab von Malice geträumt. Kein Scheiß, Alter. Ich war total besessen davon. Und es war mir egal, wie schlimm es dort zuging. Mich hat bloß interessiert, dass es woanders war. Verstehst du das? Ja, das verstehst du, das spüre ich, auch wenn ich dich nicht sehen kann.
Irgendwann sind nacheinander ein paar Hefte rausgekommen, in denen es ziemlich viel um Havoc ging. In einem haben sie einen Riesenraubzug organisiert, um an Tall Jakes Geheimvorräte zu kommen. So hab ich’s jedenfalls verstanden. Was da genau ablief, hab ich nie rausgekriegt, die Zeichnungen sind ja immer voll chaotisch. Jedenfalls hat man ein paar Leute von Havoc gesehen, irgendwelche neuen Mitglieder, und dann gab es noch einen Anführer, der die Befehle gegeben hat. Superspannend, sag ich dir. Ich hab den Typen jedes Mal so was von die Daumen gedrückt.
Und weißt du, was ich dann irgendwann gedacht hab? Das ist genau mein Ding . Die sind richtig cool, diese Jungs. Die lassen sich nicht alles gefallen wie die anderen in Malice, die bloß rumrennen wie aufgescheuchte Hühner und versuchen, nicht zu sterben. Die von Havoc machen Tall Jake echt das Leben schwer.
Ich glaub, das war der Tag, an dem ich beschlossen hab herzukommen. Der Tag, an dem ich das erste Mal von Havoc gelesen hab, meine ich. Ich hab noch ein paar Monate und eine richtig krasse Prügelattacke gebraucht, bis ich den Mut gehabt hab, den Spruch zu sagen. Ich hab damals ja schon wirklich an Malice geglaubt. Deswegen hatte ich ja auch so ’nen Respekt davor. Aber am Ende hab ich’s gemacht. Na ja, und was danach passiert ist, kannst du dir ja denken.
Ich hab mir nicht
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