Malice - Du entkommst ihm nicht
wegschauen mussten.
»Hier unten sind wir!«, rief Justin, so laut er konnte. »Hey! Hier unten! Hilfe!«
Seth fiel in seine Rufe ein, obwohl seine Kehle so trocken war, dass sie wie Feuer brannte. Es wurde immer heller, bis sie sogar die Decke des Raumes erkennen konnten, in dem sich die Grube befand. Schritte näherten sich und im nächsten Moment tauchten zwei Gesichter über dem Rand der Grube auf. Eines hatte menschliche Züge, das andere erinnerte an eine riesige Katze.
»Oh Mann, Leute, ihr seht ganz schön fertig aus«, sagte Kady und warf ihnen ein Seil hinunter.
Der Abstieg
1
»Okay, lasst sie runter. Ganz langsam!«
Kadys Stimme hallte in der Dunkelheit von den Wänden des Schachts wider.
»Ich sehe nichts!«, rief Justin. »Kannst du mal hier rüberleuchten?«
Der Lichtstrahl schwenkte auf ihn zu, bis er ihn erfasst hatte. Justin und Seth standen breitbeinig auf einer gefährlich schmalen Steinbrücke und hielten ein straff gespanntes Seil, an dessen Ende die mechanische Säbelzahntigerin baumelte. Etwa zehn Meter unter ihnen stand Kady auf dem geborstenen Pfeiler einer weiteren Brücke, die den gewaltigen Schacht einst überspannt hatte, aber schon vor langer Zeit in der Mitte auseinandergebrochen und zur Hälfte in die Tiefe gestürzt war.
»Sichert das Seil lieber mit dem ATC!«, rief Kady.
»Mit was ?«
»Ach, vergesst es. Hauptsache, ihr lasst sie nicht fallen.«
Justin und Seth ließen Tatyana langsam hinunter. Kady hatte ihnen zwar gezeigt, wie man die Hilfsmittel verwendete, mit denen sich das Seil sichern ließ, aber bis jetzt hatten sie noch keines davon eingesetzt. Mittlerweile hatten sie sich bereits fünf Etagen tief abgeseilt, ohne dass es zu irgendwelchen Katastrophen gekommen wäre.
»Oh Mann, Tatyan a – du könntest ruhig ein paar Kilo abnehmen!«, beschwerte sich Justin. Tatyana stieß ein empörtes Brüllen aus und schwankte gefährlich in ihren Gurten.
»Ärger sie nicht!«, stieß Seth zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Sie ist empfindlich.«
»Man wird ja wohl noch die Wahrheit sagen dürfen.«
»Hört auf zu streiten, Jungs. Ich will sie in einem Stück hier unten in Empfang nehmen!«, rief Kady.
In Wirklichkeit wog Tatyana für ihre Größe sogar erstaunlich wenig. Justin vermutete, dass der Zeithüter sie aus einer speziellen Metalllegierung zusammengeschweißt hatte, die es ihr ermöglichte, sich besonders leichtfüßig fortzubewegen.
Zwar taten den Jungs die Arme weh, nachdem sie die Säbelzahntigerin mehrere Stockwerke hinuntergelassen hatten, aber wäre sie aus Stahl oder reinem Eisen zusammengebaut gewesen, hätten sie ihr Gewicht niemals halten können.
Kady dirigierte sie mit der Taschenlampe, bis sie die Tigerin mit den Händen erreichen konnte. Sobald ihre Pranken klirrend auf dem Steinboden aufsetzten, stieß Justin einen erschöpften Jubelschrei aus.
»Okay, ich hab eine gute und eine schlechte Nachricht!«, rief Kady, nachdem sie mit der Taschenlampe in die Tiefe geleuchtet hatte. »Die gute ist, dass das die letzte Brücke war.« Sie leuchtete wieder nach oben, wo Seth und Justin ihre schmerzenden Schultern kreisen ließen. »Die schlechte ist, dass es zwar die letzte Brücke war, wir aber längst noch nicht am Grund des Schachts angekommen sin d …«
Seit sie vor ein paar Stunden am Ende eines Ganges den scheinbar endlos tiefen Schacht entdeckt hatten, waren sie relativ gut vorangekommen. Mithilfe von Kadys Kletterausrüstung hatten sie sich von einer Brücke zur nächsten abgeseilt, wodurch ihnen mehrere Etagen des komplizierten Gangsystems der Oubliette erspart blieben, in denen eine Vielzahl von mörderischen Fallen auf sie gelauert hätte. Es war ein beängstigend steiler Abstieg gewesen, aber die Gewissheit, dass sie sich mit jedem Meter ihrem Ziel näherten, hatte sie das Risiko in Kauf nehmen lassen.
Doch von nun an würden sie wieder den langen Weg durch die Gänge nehmen müssen.
Justin und Seth ruhten sich aus, während Kady Tatyana von den Gurten befreite. Als sie fertig war, leuchtete sie mit der Taschenlampe wieder nach oben und wartete, bis sie das Seil eingeholt hatten und zum Ende der Brücke gegangen waren. Kady hatte in den Ritzen zwischen den Quadern, aus denen die Seitenwände gemauert waren, bereits Klemmen verkeilt und ein zweites Seil eingehängt, an dem sich die Jungs nach unten hangeln konnten.
Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. Mittlerweile waren fast vierundzwanzig Stunden vergangen, seit sie
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