Mallorca - hin und nicht zurueck
Jahren hatte Tom mit Leo eine heftige Auseinandersetzung gehabt, weil er eine Filiale auf der Insel eröffnen wollte, Leo das aber strikt ablehnte, weil er ein Büro auf dem spanischen Festland favorisierte. Zu dieser Zeit hatte Tom sich ein altes Haus auf Mallorca gekauft, über das er seitdem nie wieder gesprochen hatte. Nur seinen Urlaub verbrachte er regelmäßig dort.
»Es wird dir gefallen, Lisa. Die Insel ist ein Traum.«
»Es reicht mir schon völlig, wenn ich mal wieder zu mir komme«, antwortete ich tief ausatmend. »Die letzten Wochen haben mich einigermaßen mürbe gemacht.«
Tom nickte verständnisvoll. »Und die Kinder?«
»Felix ist bei Müllers, fünf Häuser weiter, eingezogen und Melissa ist zu Mark in die Wohngemeinschaft abgedüst. Vielleicht kannst du sie mal anrufen, während ich weg bin?«
»Klar, kein Thema«, versprach Tom. »Hat Leo eigentlich schon mit ihnen gesprochen? Dadurch, dass ich so lange in Spanien war, ist mir einiges entgangen.«
Ich lächelte zynisch und schüttelte den Kopf. »Nein, sie haben von Leo seit vier Wochen überhaupt nichts gehört.«
Tom wirkte verblüfft. »Das ist nicht dein Ernst, oder?«
»Doch«, bestätigte ich. »In Leos Kopf ist nur noch Simmerlein!«
»Das ist unfassbar, Tom, findest du nicht?«, schimpfte Sophie aufgebracht.
Tom schob seine leere Tasse von sich und stand auf. »Da hilft wohl tatsächlich nur abwarten und Tee trinken. Oder aber in Eurem Fall abwarten und Sangría trinken.«
Oh ja, dachte ich, Sangría trinken, nicht mehr nachdenken und einfach nur schlafen und mich erholen. Das wär´s doch.
»Ich werde dran denken, wenn ich auf der Insel bin«, versprach ich und erhob mich. »Danke, dass du mal nach meinen Kindern schaust. Ich komme mir schon ein bisschen wie eine Rabenmutter vor.«
»Quatsch«, schnaubte Sophie. »Irgendwann muss man auch mal an sich denken, Lisa!«
»Wo Sophie Recht hat, soll sie Recht behalten«, stimmte Tom Sophie gut gelaunt zu. »Lasst es euch gut gehen. Und ich bin mir sicher, ihr werdet jede Menge Spaß haben.«
Kurz nahm er mich in den Arm und gab mir einen Kuss auf die Wange. »Egal wie es kommt, du schaffst das schon«, munterte er mich auf und verabschiedete sich von Sophie.
Nachdem die Tür ein weiteres Mal ins Schloss gefallen war, gingen wir wieder nach oben um die Koffer fertig zu packen.
***
V or mir wippte Sophies großer Sonnenhut, während wir die Flugzeugtreppe hinab stiegen. Die Sonne schien, ein warmer Wind wehte mir ins Gesicht und ich sah zu den Gipfeln der Berge, die in einiger Entfernung aufragten. Am Fuß der Treppe blieb ich kurz stehen und schloss die Augen. Urlaub. Abstand. Ruhe. Keine Gedanken an Leo oder Sybille Simmerlein, nur Sonne, Strand und Palmen warteten auf mich. Göttlich!
»Kommst du?«, fragte Sophie ungeduldig und lief zielstrebig auf den Bus zu.
»Ja doch«, versicherte ich hastig, stieg hinter ihr in den Bus ein, der uns zum Flughafengebäude bringen würde und setzte mich auf den freien Platz neben meiner Schwiegermutter. »Also – was ich bis jetzt so sehe gefällt mir aber gut.«
»Ja, das finde ich auch«, nickte Sophie. »Und ich bin jetzt doch froh, dass ich mich für die Reise neu eingekleidet habe.« Sie betrachtete die anderen Touristen, die zumeist in Shorts und bunten Sommerkleidern um uns herum standen. »Ist ganz schön heiß hier für Juni, findest du nicht?«
»Ich werde es genießen«, seufzte ich entspannt und wir schwiegen, bis wir das Hauptgebäude des Flughafens erreicht hatten.
»Zum Wandern bin ich eigentlich nicht hierhergekommen, das hätte ich zu Hause auch gekonnt«, beschwerte sich Sophie, nachdem wir längere Zeit durch die schier endlosen Gänge des Flughafengebäudes gelaufen waren. »Aber ich bin ja noch gut zu Fuß und mit den Turnschuhen hast du mich prima beraten.«
Sie trug eine ihrer locker fallenden Hosen über ihren Turnschuhen und eine bunte Bluse. Und natürlich ihren großen Sonnenhut, unter dem sie ihre Haare, wie immer, hochgesteckt hatte.
»Da vorne ist unser Kofferband, es läuft schon. Jetzt kann es nicht mehr lange dauern, bis unser Gepäck kommt. Sag mal«, fiel mir in diesem Augenblick ein, »hast du Friedrich eigentlich Bescheid gesagt?«
»Aber nein!«, wetterte Sophie, »das mache ich heute Abend, wenn wir bei Lore sind. Es ist ja auch egal, ob ich bei dir in Köln oder hier bin, oder? Wo er sich doch um den Garten kümmern muss.«
Nachdenklich beobachtete ich meine Schwiegermutter.
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