Mallorca - hin und nicht zurueck
»Du bist doch enttäuscht, dass er nicht mitgekommen ist.«
»Ja und nein«, erwog sie. »Wenn er mitgekommen wäre, hätte es mich gefreut, natürlich. Aber dann wären wir jetzt nicht hier, weil in ein Flugzeug hätte ich den alten Sturkopf niemals bekommen. Du weißt doch wie er ist. Sein Haus, sein Garten, sein Himmelreich. Kannst du dich noch an unseren Urlaub in Italien erinnern? Es hat ihm zwar gut gefallen dort, aber kaum waren wir wieder zu Hause, wusste er, wo es ihm am besten gefällt. Also hat es durchaus sein Gutes. Ich habe ihn ja nicht für immer verlassen, ich mache nur Urlaub. Mit dir. Ich denke es hätte schlimmer kommen können.«
Das war meine Schwiegermutter. An Pragmatismus nicht zu überbieten. Da kannte ich diese Frau schon so viele Jahre, doch sie schaffte es immer noch, mich zu überraschen. Und es war in der Tat so. Die wenigen Urlaube, zu denen Sophie ihren Friedrich überredet hatte, führten jedes Mal zum gleichen Ergebnis: Friedrich hatte kein Fernweh. Er war dort glücklich, wo er zuhause war.
Die ersten Koffer kamen in Sicht. Bald hatten wir unser Gepäck und begaben uns zum Ausgang. Der Flughafen war brechend voll. Irgendwo in der wartenden Menge musste sich Lores Neffe befinden, der uns abholen sollte. Suchend sah ich mich um, bis ich über all den Köpfen und zwischen all den Schildern von Alltours bis TUI und wieder zurück unsere Namen entdeckte: Sophie und Lisa Berger.
»Komm Sophie, wir müssen da rüber.«
Zielstrebig lief ich auf das Schild zu, unter dem ich einen Mann von etwa Mitte zwanzig erblickte. Na hoppala! Ja, ich bin verheiratet, dachte ich, und ja, ich bin Mitte vierzig. Aber blind bin ich definitiv nicht!
Dieser Typ war ein echter Hingucker. Johnny Depp in der Karibik war ja schon nicht zu verachten. Aber dieser Neffe von Lore …
»Hallo, ich bin Lisa«, stellte ich mich vor. »Und das ist meine Schwiegermutter Sophie.«
»Bienvenido en Mallorca. Ich bin Peter, alias Pedro, der Neffe von Tantchen Lore. Hallo Sophie«, strahlte er und gab der alten Dame eine Kuss, erst auf die eine, dann auf die andere Wange. »Komm, ich packe deinen Koffer auf den Gepäckwagen, das erleichtert die Sache ungemein.«
Leicht errötend blickte Sophie zu dem jungen Mann auf und händigte ihm dann brav ihr Gepäck aus. Auch sie war verheiratet, über siebzig und offensichtlich genauso wenig blind wie ich.
»Hattet ihr eine gute Reise?«, fragte Pedro und betrachtete mich eingehend.
Ich hatte eine alte Jeans angezogen, eine geblümte, kurze Bolerobluse und meine Lieblingssandaletten.
»Lore hat wieder geplaudert«, entschuldigte Pedro sich galant, »aber dieser Leo muss den Verstand verloren haben.«
Sein Lächeln war dermaßen entwaffnend, dass ich mich nicht einmal peinlich berührt fühlte. »Leider nicht meinetwegen«, gestand ich linkisch ein. »Deshalb bin ich ja hier.«
Er hob meinen Koffer auf den Gepäckwagen und wir setzten uns in Bewegung. »Ab in den Süden«, schmunzelte er. »Mitten hinein in Lores Rentner-Paradies. Ich bin ja mal gespannt, wie es dir gefällt, liebste Lisa.«
»Rentner-Paradies?«, fragte ich verständnislos. Was redete er da? Vorwurfsvoll sah ich in Sophies Richtung. »Gibt es da irgendetwas, das ich wissen müsste?«
»Was schaust du mich gleich so an?«, fragte Sophie, die ehrlich überrascht wirkte.
»Sie hat euch demnach also nichts erzählt?«, mutmaßte Pedro und strich sich die langen dunklen Haare mit einer Grazie aus der Stirn, die jede Frau vor Neid erblassen lassen würde.
»Was erzählt?« Ich verstand nicht was das sollte.
»Na ja, es ist eben kein ganz normales Hotel, könnte man sagen. Lore ist bekannt für ihr Rentner-Paradies und ihr könnt froh sein, dass überhaupt noch ein Zimmer frei war. Tantchens Motto lautet nämlich im Allgemeinen: Als Rentner kommen und als Teenie wieder gehen. Aber das werdet ihr ja gleich merken, wenn ihr erst dort seid. Es ist wirklich lustig bei uns und wir haben viel Spaß. Nur – ein normales Hotel ist eben anders.«
»Na, da bin ich ja mal gespannt«, meinte Sophie keck und legte den Kopf schräg. »Als Teenie zurück? Ich habe eine Enkelin in dem Alter. Das klingt hochinteressant.«
Wir folgten Pedro ins Parkhaus, wo er unser Gepäck in einem offenen Jeep verstaute und Sophie die vordere Tür einladend aufhielt.
»Als ob ich es geahnt hätte«, lachte sie fröhlich, kramte in ihrer Handtasche und zog schließlich triumphierend ihre Hutnadel hervor, die sie zielsicher durch das
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