Malloreon 1 - Herrn des Westens
Gewicht des riesigen Schwertes auf seinem Rücken zwang ihn fast auf die Knie. Erstaunt wurde ihm bewußt, daß die scheinbare Leichtigkeit der mächtigen Waffe dem Auge zu verdanken war. Unter der schweren Bürde plagte er sich mit dem Verschluß des Riemens an seiner Brust ab und ließ das Schwert den Rücken hinabgleiten. Mit lautem Krachen landete es auf dem Boden.
Nunmehr hielt Garion den Stein vor die Augen, drehte sich um und blickte auf die Schrift. Er vermeinte ein wütendes Knurren in der Luft zu hören, doch sein Kopf blieb klar. Er trat an den Tisch, öffnete die Schrift mit einer Hand und hielt mit der anderen den leuchtenden Stein darüber.
Endlich erkannte er die Bedeutung des Kleckses, der ihn fast zur Verzweiflung gebracht hatte. Es war gar nicht wirklich ein versehentlicher Tintenklecks. Die Botschaft war da – die ganze, doch die Worte waren alle übereinander-geschrieben! Die gesamte Prophezeiung befand sich in diesem einen vermeintlichen Klecks! Im blauen, ruhigen Licht des Aldurauges schien sein Blick hinein und unter die Oberfläche des Pergaments zu tauchen. Die Worte, die Äonen verborgen gewesen waren, stiegen wie Blasen auf.
Doch habt acht, der Stein, der im Mittelpunkt des Lichtes liegt, wird rot brennen, und meine Stimme wird zum Kind des Lichtes sprechen und den Namen des Kindes der Finsternis kundtun. Und das Kind des Lichtes wird nach dem Schwert des Hüters greifen und ausziehen, um zu suchen, was verborgen ist. Lang wird diese Suche sein und dreifach. Und es wird er kenntlich sein, daß die Suche begonnen hat, wenn das Geschlecht des Hü ters einen Erben hat. Hütet den Nachkommen des Hüters gut, denn es wird keinen anderen geben. Hütet ihn gut, denn sollte er in die Hand des Kindes der Finsternis fallen und zu dem Ort gebracht werden, wo das Böse haust, kann nur der blinde Zufall den Ausgang entscheiden. Sollte des Hüters Sohn geraubt werden, muß der GELIEBTE und EWIGE den Weg weisen. Und er wird den Pfad zu jenem Ort finden, wo das Böse in den Mysterien verborgen ist. Doch in jedem Mysterium wird nur ein Teil des Pfades lie gen und er muß sie alle finden – alle –, denn wenn nicht, wird der Pfad in die Irre führen und die Finsternis triumphieren. Haste deshalb zu der Be gegnung, bei der die dreifache Suche endet. Diese Begegnung findet statt an einem Ort, der nicht mehr ist, und dort wird die Wahl getroffen. Garion las diese Stelle ein zweites und drittes Mal. Eine unheildrohende Kälte befiel ihn, während diese Worte in seinem Kopf dröhnend widerhallten. Schließlich erhob er sich und trat an die Tür des Gewölbes. »Ich brauche etwas zum Schreiben«, sagte er zu dem Priester, der unmittelbar davor stand. »Und schickt jemanden zum Fluß. Er soll den Kapitän meines Schiffes anweisen, es für eine rasche Abfahrt klarzumachen. Sobald ich hier fertig bin, trete ich die Rückreise an.«
Mit großen Augen starrte der Priester auf den leuchtenden Stein. »Steht nicht herum, Mann!« befahl ihm Garion. »Es geht um das Wohl der ganzen Welt!«
Der Priester blinzelte und eilte davon.
Am folgenden Tag war Garion in Kotu, und eineinhalb Tage später erreichte er Aldurfurt. Wie der Zufall es wollte, wurde gerade eine Herde halbwilder algarischer Rinder auf dem Weg nach Muros über diese weite, seichte Stelle des mächtigen Stromes getrieben, und Garion hielt sogleich Ausschau nach dem Oberhirten. »Ich brauche zwei Pferde«, sagte er ohne Umschweife. »Eure besten. Ich muß noch vor Ende der Woche im Aldurtal sein.«
Der Oberhirte, ein wild aussehender algarischer Krieger, blickte ihn abschätzend an. »Gute Pferde sind teuer, Eure Majestät«, versuchte er es, und seine Augen glänzten.
»Das ist unwichtig. Seht zu, daß sie in einer Viertelstunde bereit sind – und packt eine Wegzehrung für mich in die Satteltaschen.«
»Wollt Ihr nicht erst den Preis mit mir aushandeln, Eure Majestät?« Die Stimme des Hirten verriet seine Enttäuschung.
»Nicht unbedingt«, entgegnete Garion. »Rechnet alles zusammen, und ich werde es bezahlen.«
Der Oberhirte seufzte. »Nehmt sie als Geschenk, Eure Majestät.« Dann blickte er den Rivanischen König düster an. »Es ist Euch doch klar, daß Ihr mir den ganzen Nachmittag verdorben habt!«
Garion grinste verständnisvoll. »Glaubt mir, wenn ich Zeit hätte, würde ich den ganzen Tag mit Euch feilschen – bis zum letzten Kupferstück –, aber ich muß dringend in den Süden.«
Der Oberhirte schüttelte betrübt den
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