Malloreon 1 - Herrn des Westens
Poledra.«
»Poledra?« Belgaraths Stimme stockte beim Namen seiner Frau.
»Jemand zwang Ce'Nedra, etwas im Schlaf zu tun – etwas sehr Bedrohliches –, da kam Poledra und hielt sie davon ab. Danach sagte sie mir, ich müsse zu dem Tempel in Drasnien reisen, um das Original des Mrin-Kodex zu lesen, und sie wies mich ausdrücklich an, das Auge Aldurs mitzunehmen. Als ich dort war und zu lesen anfing, wäre ich fast gleich wieder gegangen. Das Ganze erschien mir so dumm. Schließlich erinnerte ich mich, was die Stimme und Poledra gesagt hatten, und fügte es zusammen. Kaum begann ich im Licht des Auges zu lesen, verschwand das Gefühl, daß ich nur meine Zeit vergeudete. Großvater, wie kommt das? Was steckt dahinter? Ich dachte, es beeinflusse nur mich, doch dir erging es nicht besser.«
Belgarath überlegte einen Augenblick stirnrunzelnd. »Es war eine Interdiktion«, erklärte er schließlich. »Irgendwann befaßte sich jemand mit dieser Stelle und machte sie mit seiner Willenskraft so abstoßend, daß niemand sie auch nur ansehen konnte.«
»Aber sie ist da – selbst auf deiner Kopie. Wie ist es da möglich, daß der Schreiber sie im Gegensatz zu uns gut genug zu sehen vermochte, daß er imstande war, sie abzuschreiben?«
»Viele Schreiber früherer Zeit konnten nicht lesen«, erklärte Belgarath. »Um etwas zu kopieren, ist das auch nicht unbedingt nötig. Diese Schreiber malten die einzelnen Zeichen nur ganz genau nach.«
»Aber diese… wie hast du es genannt?«
»Interdiktion. Es ist ein geschwollenes Wort für Untersagung. Ich glaube, Beldin hat es sich ausgedacht. Er ist manchmal entsetzlich stolz auf seine Klugheit.«
»Diese Interdiktion veranlaßte demnach, daß die Schreiber all diese Worte übereinandermalten – obgleich sie nicht wußten, was sie bedeuteten?«
Belgarath bestätigte es abwesend. »Wer immer dahintersteckt, ist sehr mächtig – und sehr geschickt. Ich ahnte nicht einmal, daß jemand mit meinen Gedanken herumspielte.«
»Wann, glaubst du, kam es zu dieser Interdiktion?«
»Wahrscheinlich sofort, als der Mrin-Prophet die Worte sprach.«
»Würde ihre Wirkung auch noch nach dem Tod der Person anhalten, die sie verursachte?«
»Nein.«
»Dann…«
»Richtig. Es muß sie noch geben.«
»Könnte es Zandramas sein, diese Person, von der wir in letzter Zeit immer wieder hören?«
»Das wäre natürlich möglich.« Belgarath griff nach dem Pergament. »Ich kann es jetzt auch im normalen Licht lesen. Wenn die Interdiktion gebrochen ist, bleibt sie es offenbar auch.« Er legte das Blatt zurück. »Das ist wirklich wichtig, Garion.«
»Ganz meine Meinung«, antwortete Garion. »Ich verstehe jedoch nicht alles. Der erste Teil ist einfach – der über das Auge, das sich rot färbt und den Namen des Kindes der Finsternis kundtut. Jedenfalls sieht es ganz so aus, als müßte ich wieder eine dieser Reisen machen.«
»Eine lange, wenn das hier stimmt.«
»Was bedeutet der nächste Teil?«
»Nun, soweit ich es beurteilen kann, hat deine Suche – was immer sie ist – bereits begonnen, und zwar bei der Geburt Gerans.« Der alte Mann runzelte die Stirn. »Mir gefällt dieser Teil über den blinden Zufall nicht. So etwas macht mich nervös.«
»Wer ist der Geliebte und Ewige?«
»Ich, wahrscheinlich.«
Garion blinzelte.
Belgarath zuckte die Schultern. »Es klingt vielleicht etwas hochtrabend«, gab er zu, »aber manche nennen mich den ›Ewigen‹ – und als mein Herr und Meister meinen Namen änderte, fügte er die Silbe ›Bel‹ an meinen vorherigen. In der alten Sprache bedeutet bel ›geliebt‹.« Er lächelte ein wenig traurig. »Mein Meister hatte eine besondere Art, mit Wörtern umzugehen, manchmal jedenfalls.«
»Was sind diese ›Mysterien‹, die erwähnt werden?«
»Es ist eine archaische Bezeichnung. Früher benutzte man das Wort ›Mysterium‹ statt Prophezeiung. So rätselhaft manche sind, ist das sogar zu verstehen, würde ich sagen.«
»Ho! Garion! Belgarath!« Die Stimme kam von außerhalb des Turms.
»Wer ist das?« fragte Belgarath. »Hast du jemandem gesagt, daß du hierherkommen wirst?«
»Nein«, antwortete Garion. Er ging ans Fenster und schaute hinunter. Ein hochgewachsener, adlergesichtiger Algarier mit einer wallenden Skalplocke saß im Sattel eines schweißbedeckten und sichtlich erschöpften Pferdes. »Hettar!« rief Garion hinunter. »Wie kommst du hierher?«
»Laß mich ein, Garion«, bat Hettar. »Ich muß mit dir reden!«
Belgarath trat
Weitere Kostenlose Bücher