Malloreon 2 - König der Murgos
mit sieben weggenommen, um geschult zu werden – hauptsächlich militärisch – , was mit großer körperlicher Anstrengung verbunden war. Fehler jeglicher Art wurden mit Auspeitschen bestraft, gewöhnlich beim Abendessen.«
»Das kann einem schon den Appetit rauben.«
»Und wie. Ich esse nie mehr zu Abend – zu viele unangenehme Erinnerungen. Meine Brüder und ich fingen sehr früh an, gegeneinander zu intrigieren. Taur Urgas hatte viele Gemahlinnen und ganze Kompanien von Kindern. Da der älteste überlebende Sohn der Thronerbe ist, verschworen wir uns alle gegen unsere älteren Brüder und versuchten uns gegen die Komplotte der jüngeren zu schützen. Ein besonders liebenswerter erstach einen anderen, als er noch nicht einmal ganz neun war.«
»Frühreif«, murmelte Silk.
»Oh, das war er wahrhaftig. Taur Urgas war natürlich zuhöchst erfreut, und eine Zeitlang war der Rückenstecher sein bevorzugter Liebling. Das machte uns ältere Brüder ziemlich nervös, da es durchaus vorstellbar war, daß unser irrsinniger Vater auf den Gedanken kam, uns erwürgen zu lassen, um Platz für das kleine Ungeheuer zu schaffen. Also unternahmen wir Schritte.«
»Oh?«
»Wir erwischten ihn eines Tages allein in einem oberen Stockwerk des Palasts und warfen ihn aus dem Fenster.« Urgit starrte düster über die langen Wellen, die vom Großen Westmeer herwogten. »Von dem Tag an, als wir unseren Müttern weggenommen wurden, bestand unser Leben aus ständiger Furcht und sinnloser Brutalität. Wir sollten die vollkommenen Murgos sein – stark, tapfer, absolut loyal und Torak treu ergeben. Jeder hatte einen Grolim als Lehrer, und Tag für Tag mußten wir uns stundenlang Gequatsche über den Gott der Angarakaner anhören. Es war nicht gerade eine schöne Kindheit.«
»Taur Urgas zeigte nie Zuneigung?«
»Nicht zu mir jedenfalls. Ich war immer der kleinste, und für mich hatte er nur Verachtung. Murgos sollen groß und stämmig sein. Selbst nachdem es mir gelungen war, mich so weit hochzuarbeiten, daß ich der Thronerbe sein würde, hatte er kein gutes Wort für mich, im Gegenteil, er ermutigte meine jüngeren Brüder in jeder Weise, mich umzubringen.«
»Wie gelang es dir zu überleben?«
»Durch meinen Verstand – und indem ich einen Schlüssel benutzte, den es mir geglückt war zu stehlen.«
»Einen Schlüssel?«
»Zur Schatzkammer. Du würdest dich wundern, wieviel Hilfe man sich selbst in Cthol Murgos erkaufen kann, wenn man mit Geld nicht sparen muß.«
Silk fröstelte. »Die Kälte hier an Deck geht mir durch Mark und Bein«, sagte er. »Wie wär's, wenn wir uns in die Kabine setzen und uns mit einer Kanne Glühwein erwärmen?«
»Ich trinke nicht, Kheldar.«
»Du trinkst nicht?« staunte Silk.
»Ich muß stets bei klarem Verstand sein. Jemand, der seinen Kopf im Weinfaß stecken hat, kann nicht sehen, wenn sich einer mit einem Dolch anschleicht, nicht wahr?«
»Bei mir bist du völlig sicher, Bruder.«
»Ich bin bei niemandem sicher, Kheldar – schon gar nicht bei einem Bruder. Du mußt verstehen, das ist nicht persönlich gemeint – lediglich die Folgen einer sehr nervösen Kindheit.«
»Na gut«, sagte Silk keineswegs gekränkt, »gehen wir hinein, dann kannst du zusehen, wie ich trinke. Ich kann es recht gut.«
»Das kann ich mir vorstellen. Schließlich bist du ja ein Alorner.«
»Du auch, teurer Bruder.« Silk lachte. »Komm mit, dann mache ich dich mit all dem Spaß vertraut, der zu deinem Erbe gehört.«
Garion wollte sich gerade umdrehen, um den beiden zu folgen, als Belgarath an Deck kam und sich gähnend streckte. »Ist Pol schon auf?« fragte er Garion.
Garion schüttelte den Kopf. »Ich habe vor einer Weile mit Durnik gesprochen. Er sagte, sie sei noch sehr erschöpft von dem, was sie gestern getan hat.«
Belgarath runzelte die Stirn. »So sehr hätte sie das aber nicht ermüden dürfen! Es war spektakulär, das gebe ich zu, aber doch wohl kaum ermüdend.«
»Ich glaube nicht, daß es diese Art von Ermüdung ist, Großvater. Durnik sagte, daß es ihr innerlich sehr zu schaffen machte.«
Der alte Mann kratzte sich am Bart. »Oh! Ich vergesse manchmal, daß Polgara eine Frau ist, Offenbar ist sie nicht imstande, Geschehenes geschehen sein zu lassen, und manchmal überwältigt ihr Mitleid sie.«
»Das ist doch kein schlechter Zug, Großvater.«
»Für eine Frau vielleicht nicht.«
»Mir ist doch, als erinnere ich mich an etwas, das einmal in den Sümpfen geschah«, sagte Garion. »Hast
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