Malloreon 4 - Zauberin von Darshiva
dieser Nähe, konnte er es betrachten, da es vom Fackelschein beleuchtet wurde.
Sie hatte regelmäßige, ja schöne Züge, glänzend schwarzes Haar, und ihre Haut war fast so hell wie die seiner Base Adara. Doch das war die einzige Ähnlichkeit. Zandramas war eine Grolim, und ihre dunklen Augen waren leicht schräg wie die aller Angarakaner. Sie hatte eine nicht unschöne Hakennase, eine breite, glatte Stirn und ein spitzes Kinn, was ihr Gesicht leicht dreieckig machte.
»Ich habe auf dich gewartet, Naradas!« sagte sie mit barscher Stimme. »Wo warst du so lange?«
»Verzeiht mir, Gebieterin«, entschuldigte sich der Grolim, der auf dem Nacken des Leitelefanten saß. »Die Hirten hielten sich weiter südlich auf, als man uns meldete.« Er schob seine Kapuze zurück. Sein Gesicht wirkte grausam, und seine weißen Augen glänzten im flackernden Fackellicht. »Wie steht der Kampf gegen die Knechte des Jüngers?«
»Nicht sehr gut, Naradas«, antwortete sie. »Seine Tempelwachen und die Chandim und das Lumpenpack aus Karanda sind unseren Streitkräften zahlenmäßig weit überlegen.«
»Ich habe ein Regiment Elefantenreiterei mitgebracht, Gebieterin«, berichtete ihr Naradas. »Sein Einsatz wird das Blatt wenden. Das Gras von Mittelpeldane wird mit dem Blut von Urvons Tempelwachen, Chandim und Karandesern getränkt werden. Wir werden sie zurückwerfen und Darshiva sicher für alle Zeit machen!«
»Darshiva ist mir gleichgültig, Naradas. Ich will die Welt! Das Schicksal eines kleinen Landes am Ostrand von Mallorea ist völlig unbedeutend. Möge es bestehen oder fallen: Es hat seinen Zweck erfüllt, und ich bin seiner überdrüssig. Wie lange wirst du brauchen, bis du mit den Elefanten das Schlachtfeld erreichen kannst?« »Im Höchstfall zwei Tage, Gebieterin.«
»Dann reite weiter. Sobald du sie meinen Generälen unterstellt hast, folgst du mir nach Kell. Ich kehre jetzt nach Hemil zurück und hole Otrath und Belgarions Balg. Wir erwarten dich im Schatten des heiligen Berges der Seher.«
»Ist es wahr, daß Urvon den Dämonenherrscher Nahaz und seine Horden mitgebracht hat, Gebieterin?«
»Es stimmt, aber das stört uns nicht mehr. Es ist nicht sehr schwierig, Dämonen zu beschwören, und Nahaz ist nicht der einzige Dämonenherrscher in der Hölle. Lord Mordja hat sich bereit erklärt, uns mit seinen Horden beizustehen. Er und Nahaz sind Erzfeinde. Nun bekämpfen sie einander, ohne sich um normale Kräfte zu kümmern.«
»Gebieterin!« rief Naradas bestürzt. »Ihr würdet Euch doch nicht wirklich mit solchen Kreaturen verbünden!«
»Ich würde mich mit dem Höllenfürsten selbst verbünden, um am Ort, der nicht mehr ist, zu siegen. Mordja hat Flucht vorgetäuscht und Nahaz vom Schlachtfeld weggelockt. Also bring deine Tiere dorthin, damit sie Urvons Krieger vernichten. Nahaz und seine Heerschar werden nicht da sein, um euch aufzuhalten. Und kommt dann so schnell wie möglich nach Kell.« »Jawohl, Gebieterin«, versprach Naradas untertänig.
Glühende Wut erfüllte Garion. Die Entführer in seines Sohnes war nur Sekunden von ihm entfernt, und er wußte, daß sie keine Zeit haben würde, ihren Willen zu sammeln, ehe er die Fänge in sie geschlagen hätte, und dann wäre es zu spät. Er fletschte die gefährlichen Zähne und schlich Schritt um Schritt näher, das Fell gesträubt und den Bauch dicht über dem Boden. Er dürstete nach Blut, und sein Haß brannte wie Feuer. Vor Ungeduld zitternd spannte er die Muskeln, und ein tiefes drohendes Knurren füllte seine Kehle.
Dieser Laut brachte ihn schließlich wieder zur Besinnung. Der Gedanke, der ihm schier das Gehirn versengt hatte, war der eines Wolfes gewesen, der lediglich den unmittelbaren Augenblick beachtete. Wenn Zandramas tatsächlich bloß ein paar Sprünge entfernt stand, konnte er sie zerreißen und ihr Blut in dem hohen Gras verspritzen, ehe das Echo ihrer Schreie von den nahen Bergen widerhallte. Aber wenn die Gestalt vor dem weißäugigen Naradas nur ein unstoffliches Sendbild war, dann würden seine Fänge ins Leere schnappen, und die Zauberin von Darshiva würde aufs neue seiner Rache entgehen wie bereits in Ashaba.
Vielleicht hatte der brennende Gedanke sie alarmiert, möglicherweise hatte sie aber auch nur, wie Polgara es häufig tat, die Gegend mit dem Geist sondiert und so die anderen aufgespürt. Die Zauberin zischte plötzlich erschrocken.
»Gefahr!« rief sie ihrem weißäugigen Knecht zu. Doch dann lächelte sie grausam. »Aber ich
Weitere Kostenlose Bücher