Malloreon 5 - Seherin von Kell
richtig ausgeschlafen hast, wirst du dich morgen gleich besser fühlen.«
Sie gähnte und streckte die Arme nach ihm aus. »Trag mich«, bat sie.
Er blinzelte verblüfft. Ce'Nedra machte es Spaß, ihren Gemahl zu überraschen. Er machte dann immer so große Augen, und sein Gesicht sah so jungenhaft aus. »Fühlst du dich nicht wohl?« fragte er besorgt.
»Doch, Garion. Ich bin nur müde und möchte ein bißchen verhätschelt werden. Trag mich ins Zelt, leg mich ins Bett und deck mich zu.«
»Gut, wenn du das möchtest…« Er stand auf, hob sie mühelos auf die Arme und trug sie durchs Lager zu ihrem Zelt.
»Garion«, murmelte sie schläfrig, nachdem er die Decke zärtlich über ihre Schultern gezogen hatte. »Ja, Liebes?«
»Bitte zieh dein Kettenhemd aus, bevor du dich ins Bett legst. Es riecht wie ein alter Eisenkessel.«
Ungewohnte Träume störten Ce'Nedras Schlaf in dieser Nacht. Sie träumte von Menschen und Orten, die sie seit Jahren nicht mehr gesehen, an die sie nicht einmal mehr gedacht hatte: Legionäre bewachten den Palast ihres Vaters, und Lord Morin, der kaiserliche Hausmeier, eilte durch einen Marmorkorridor. Dann befand sie sich scheinbar in Riva und führte ein langes, unverständliches Gespräch mit Brand, dem rivanischen Hüter, während Arell, Brands blonde Nichte, am Fenster saß und Flachs spann; der Dolchgriff, der aus ihrem Rücken ragte, störte sie überhaupt nicht. Ce'Nedra wälzte sich herum, murmelte etwas und träumte gleich wieder.
Nunmehr befand sie sich in Rheon, in Ostdrasnien. Gleichmütig zog sie einen Dolch aus dem Gürtel Vellas, der nadrakischen Tänzerin, und stieß ihn ebenso gleichmütig bis ans Heft in den Bauch des schwarzbärtigen Ulfgars, der das Oberhaupt des Bärenkults war. Ulfgar sprach höhnisch zu Belgarath und achtete auch dann nicht auf Ce'Nedra, als sie die Klinge langsam in seinen Gedärmen umdrehte. Dann war sie wieder in Riva und saß mit Garion nackt neben einem glitzernden Waldteich, und Tausende von Schmetterlingen schwebten um sie.
In ihrem ruhelosen Traum reiste sie in die alte Stadt Val Alorn in Cherek und von dort nach Boktor zur Bestattung von König Rhodar. Und wieder sah sie das Schlachtfeld bei Thull Mardu und noch einmal das Gesicht ihres selbsternannten Beschützers, Brands Sohn Olban.
Es gab keinen Zusammenhang zwischen ihren Träumen. Mühelos begab sie sich von Ort zu Ort und bewegte sich durch Zeit und Raum auf der Suche nach etwas, obwohl sie sich nicht erinnern konnte, was es war, das sie verloren hatte.
Als sie am Morgen erwachte, war sie so müde wie am Abend zuvor. Jede Bewegung war eine Anstrengung, und sie konnte nicht aufhören zu gähnen.
»Was ist mit dir?« fragte Garion, während sie sich ankleidete. »Hast du nicht gut geschlafen?«
»Nein, gar nicht gut. Ich hatte die merkwürdigsten Träume.«
»Möchtest du darüber reden? Damit lassen sie sich manchmal am besten vertreiben und kehren nicht Nacht für Nacht zurück.« »Sie haben keinen Sinn gemacht, Garion. Sie kamen und gingen. Es war fast, als bewegte mich jemand von Ort zu Ort, aus einem Grund, den nur sie selbst kennt.« »Sie? Eine Frau?«
»Habe ich ›sie‹ gesagt? Keine Ahnung warum. Ich habe diese Person nicht gesehen.« Wieder gähnte Ce'Nedra. »Wer immer es auch war, ich hoffe, sie oder er sind damit fertig. So eine Nacht möchte ich nicht gern noch einmal durchmachen.« Dann warf sie ihm einen verschmitzten Blick durch die langen Wimpern zu. »Einige Teile des Traums waren recht nett«, sagte sie. »Einmal saßen wir beide an dem Teich in Riva. Möchtest du wissen, was wir dort getan haben?« Eine sanfte Röte wanderte Garions Hals empor. »Uh, nein, Ce'Nedra. Lieber nicht.«
Aber sie erzählte es ihm trotzdem – in allen Einzelheiten – , bis er schließlich aus dem Zelt floh.
Ihre unruhige Nacht erhöhte die eigentümliche Müdigkeit, die sich seit ihrem Aufbruch aus Kell in ihr eingenistet hatte. An diesem Morgen ritt sie halb dösend, und so sehr sie sich auch bemühte, wach zu bleiben, sie schaffte es nicht. Garion rief sie mehrmals an, um sie darauf aufmerksam zu machen, daß sie ihr Pferd vom Weg abkommen ließ, und dann, als er erkannte, daß sie die Augen offenbar beim besten Willen nicht offenhalten konnte, nahm er ihr die Zügel aus den Händen und führte ihr Pferd.
Am Vormittag flog Beldin herbei. »Ihr solltet in Deckung gehen«, warnte er Belgarath angespannt. »Eine darshivische Patrouille kommt euch auf diesem Pfad
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