Malloreon 5 - Seherin von Kell
umgehen.« »Gut.«
»Es dauert etwas länger, aber auf diese Weise bringen wir unsere Pelze nach Tol Honeth, ohne drasnischen Zoll bezahlen zu müssen. Unser Gewinn am Pelzmarkt ist um sechzig Prozent gestiegen.« Yarblek strahlte. »Falls Silk je hier durchkommt, macht Ihr ihn lieber nicht darauf aufmerksam«, warnte er. »Er hat manchmal einen Anfall von Patriotismus, und Porenn ist immerhin seine Muhme.« »Ich hatte nicht vor, mit ihm darüber zu sprechen. Mit den Teppichen müssen wir jedoch immer noch durch Drasnien. Der beste Markt dafür ist nach wie vor Mittelarendien, und selbst für noch soviel Geld finden wir einfach niemanden, der sie uns durchs Ulgoland schafft.« Er runzelte die Stirn. »Und irgend jemand verkauft viel billiger als wir. Bis wir herausbekommen, was vorgeht, wäre es vielleicht ratsam, die Einfuhr zu beschränken.«
»Ist es Euch gelungen, die Edelsteine zu verkaufen, die ich aus Mallorea mitbrachte?«
»Selbstverständlich. Wir haben sie außer Land geschmuggelt, um sie auf dem Weg nach Süden da und dort zu veräußern.«
»Gut. Es drückt immer die Kurse, wenn man eine zu große Menge an einem Ort verkaufen will. Habt Ihr eine Ahnung, ob Drosta heute abend in seiner üblichen Schenke weilt?«
Zelmit nickte. »Schon seit kurz vor Sonnenuntergang.«
»Vella braucht einen unauffälligen Umhang«, sagte Yarblek. Zelmit musterte das Mädchen.
Vella öffnete ihren Zobelmantel und legte die Hände um die Dolchgriffe. »Warum versucht Ihr es nicht gleich jetzt, Zelmit?« sagte sie herausfordernd. »Bringen wir's hinter uns!«
»Ich hatte wahrhaftig keine Nebengedanken, Vella«, versicherte er ihr mit Unschuldsmiene. »Ich wollte nur Eure Größe abschätzen, das ist alles.«
»So kann man es auch nennen«, sagte sie trocken. »Ist eigentlich die Schnittwunde an Eurer Schulter ganz verheilt?«
»Bei feuchtkaltem Wetter macht sie sich immer noch bemerkbar«, klagte er. »Ihr hättet Eure Pfoten bei Euch behalten sollen.«
»Ich glaube, ich habe da einen alten Umhang, der Euch passen müßte. Aber er ist etwas schäbig.«
»Um so besser«, brummte Yarblek. »Wir wollen in den Einäugigen Hund und möchten dort nicht auffallen.«
Vella schlüpfte aus dem Zobel und legte ihn über einen Stuhl. »Daß Ihr mir ja darauf aufpaßt, Zelmit«, warnte sie. »Ich mag ihn, und ich bin sicher, Ihr wißt genausogut wie ich, was passieren würde, wenn er zufällig bei einer Karawane nach Tol Honeth auftauchte.«
»Du brauchst ihm nicht zu drohen, Vella«, sagte Yarblek mild.
»Das war keine Drohung, Yarblek«, entgegnete sie. »Ich will nur vermeiden, daß es zu Mißverständnissen zwischen Zelmit und mir kommt.« »Ich hole den Umhang«, erbot sich Zelmit. »Ja, tut das«, sagte sie. Der Umhang war weniger schäbig denn zerlumpt, und er roch, als wäre er noch nie gewaschen worden. Widerwillig warf ihn Vella sich über die Schultern. »Zieh die Kapuze hoch«, riet ihr Yarblek.
»Dann muß ich gleich nachher mein Haar waschen.« »Na und?«
»Hast du eine Ahnung, wie lange es dauert, bis Haar wie meines im Winter trocknet?«
»Tu es, Vella! Warum mußt du dich eigentlich immer widersetzen?« »Aus Prinzip.«
Er seufzte. »Kümmert Euch um unsere Pferde«, befahl er Zelmit. »Wir gehen den Rest des Weges zu Fuß.« Dann führte er Vella aus dem Kontor. Auf der Straße zog er eine klirrende Kette an einem Lederhalsband aus einer Tasche seines Mantels. »Leg das um!« »Ich habe seit Jahren kein Halsband und schon gar keine Kette mehr getragen!« protestierte sie.
»Es ist zu deinem eigenen Schutz, Vella«, sagte er müde. »Wir müssen in das verrufenste Viertel der Stadt, und der Einäugige Hund ist die berüchtigtste Spelunke dort. Wenn du gekettet bist, wird dich niemand belästigen – außer er will sich mit mir anlegen. Ohne Kette würden einige Männer es bestimmt mißverstehen.« »Dafür sind meine Dolche da, Yarblek.«
»Bitte, Vella. Merkwürdigerweise mag ich dich und möchte nicht, daß dir was zustößt.«
»Zuneigung, Yarblek?« Sie lachte. »Ich dachte, das einzige, was dir wirklich was bedeutet, ist Geld.«
»Ich bin doch kein völliger Schurke, Vella!«
»Na ja, man kann dich für einen halten, bis ein echter kommt.« Sie befestigte das Lederband um ihren Hals. »Um ehrlich zu sein, ich mag dich irgendwie auch.« Seine Augen wurden groß, und er grinste.
»O nein! So sehr auch wieder nicht!« fügte sie hinzu.
Der Einäugige Hund war die übelste Kneipe, die Vella je
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