Malloreon 5 - Seherin von Kell
Polgara?« fragte der Eunuch. »In ihrem gegenwärtigen Zustand…« Er spreizte vielsagend die schmalen Hände.
»Wenn es gefährlich ist, Tante Pol…«, begann Garion.
»Oret ist verhältnismäßig harmlos«, unterbrach sie ihn. »Es regt das Herz ein wenig an, aber Ce'Nedra hat ein kräftiges Herz. Ich kann es einen halben Kontinent entfernt schlagen hören. Wir müssen unbedingt wissen, was gerade geschehen ist, und mit Oret erfahren wir es am leichtesten und schnellsten.«
Sadi hatte inzwischen sein rotes Lederkästchen geöffnet und reichte Polgara ein Fläschchen. Vorsichtig tippte sie drei Tropfen der gelben Flüssigkeit in einen Becher und goß Wasser nach. »Ce'Nedra, Liebes«, sagte sie zu der kleinen Königin, »du bist bestimmt durstig. Das wird dir helfen.« Sie streckte dem rothaarigen Mädchen den Becher entgegen.
»O danke, Lady Polgara.« Ce'Nedra nahm einen tiefen Schluck. »Ich wollte soeben jemanden um einen Becher Wasser bitten.« »Sehr geschickt, Pol«, flüsterte Beldin. »Elementarste Dinge, Ohm.«
»Hast du eine Ahnung, wovon sie reden?« wandte Zakath sich an Garion.
»Tante Pol hat Ce'Nedra den Gedanken eingegeben, daß sie durstig ist.« »Ihr könnt so was tatsächlich tun?« »Wie sie gesagt hat: elementarste Dinge.« »Kannst du es?« »Keine Ahnung, ich habe es nie versucht«, antwortete Garion zerstreut. Seine Aufmerksamkeit galt seiner selig lächelnden kleinen Gemahlin. Polgara wartete ruhig.
»Ich glaube, Ihr könnt jetzt anfangen, Lady Polgara«, sagte Sadi nach einigen Minuten.
»Sadi«, sagte sie abwesend, »wir kennen einander jetzt gut genug, daß wir diese Förmlichkeit aufgeben können. Ich habe keine Lust, mir die Zunge mit ›Eure Exzellenz‹ zu verrenken, also warum wollt Ihr Euch immer noch die Umstände machen, mich mit ›Lady‹ zu titulieren?« »Oh, danke, Polgara.«
»Und jetzt: Ce'Nedra«, sagte Polgara.
»Ja, Tante Pol?« Die Augen der kleinen Königin wirkten ein wenig leer.
»Ce'Nedra, erzähl mir doch genau, wie du dein Baby zurückbekommen hast.«
»Arell hat Geran gefunden.« Ce'Nedra lächelte. »Jetzt habe ich noch mehr Grund, Arell zu lieben.« »Wir lieben Arell alle.«
»Ist er nicht ein schönes Baby?« Ce'Nedra schlug die Decke wieder ein wenig zurück, und die alten Lumpen waren deutlich zu sehen. »Er ist niedlich, Liebes. Hattest du Gelegenheit, dich ein bißchen mit Arell zu unterhalten?«
»O ja, Tante Pol. Sie hat etwas sehr Wichtiges zu erledigen, deshalb konnte sie sich uns jetzt auch noch nicht anschließen. Aber sie meinte, sie würde uns in Perivor treffen – oder vielleicht erst später bei Korim.« »Dann wußte sie also, wohin wir wollen?«
»O nein, Tante Pol.« Ce'Nedra lachte. »Ich sagte es ihr. Sie wollte so gerne mit uns kommen, aber wie gesagt, sie muß zuvor etwas Wichtiges erledigen. Sie hat mich gefragt, wohin wir reiten, da erzählte ich ihr von Perivor und Korim. Über Korim hat sie sich allerdings gewundert.«
Polgara kniff die Augen zusammen. »Ich verstehe. Durnik, sei so lieb und bau ein Zelt auf. Ich glaube, Ce'Nedra und ihr Baby sollten sich ein bißchen ausruhen.«
»Wird gemacht, Pol«, antwortete ihr Gemahl und tauschte einen raschen Blick mit ihr.
»Ja, jetzt, da Ihr es erwähnt, Tante Pol«, sagte Ce'Nedra glücklich, »muß ich gestehen, daß ich müde bin. Und Geran braucht gewiß auch Schlaf. Babies schlafen sehr viel, wißt Ihr. Ich werde ihn stillen, dann kann er schlafen. Er schläft nach dem Stillen gewöhnlich gleich ein.«
»Es wird schon wieder gut«, sagte Zakath leise zu Garion, als die Augen des rivanischen Königs sich mit Tränen füllten. Der malloreanische Kaiser legte beruhigend eine Hand auf die Schulter seines Freundes.
»Aber was wird sein, wenn sie aufwacht?« »Polgara kümmert sich bestimmt darum.«
Nachdem Durnik das Zelt aufgebaut hatte, führte Polgara die benommene kleine Königin hinein. Nach einem Augenblick spürte Garion einen leichten Zug und vernahm einen Hauch von Laut. Dann kam seine Tante mit Ce'Nedras Bündel aus dem Zelt. »Schaff das fort.« Sie drückte es Garion in die Hände. »Kommt sie wieder in Ordnung?« fragte er.
»Sie schläft jetzt. In etwa einer Stunde wird sie aufwachen und sich an diesen Zwischenfall überhaupt nicht mehr erinnern. Keiner von uns wird ihn erwähnen, und damit ist er abgetan.«
Garion trug das Bündel tiefer in den Wald und versteckte es unter einem Busch. Als er zurückkehrte, wandte er sich an Cyradis. »Es war
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