Malloreon 5 - Seherin von Kell
Zakath. »Wie kannst du nur so über ihn sprechen?«
»Wahrheit bleibt Wahrheit, Eure Majestät.«
»Ihr Alorner seid merkwürdige Leute, mein Freund.«
»Das haben wir nie zu verbergen versucht, mein Freund.«
Ein Laut von Krallen war hinter ihnen zu hören, und die Wölfin schlüpfte zwischen die beiden. »Ich frage mich, wohin du läufst«, sagte sie zu Garion.
»Ich und mein Freund wollen mit dem Herrn dieses Hauses sprechen, kleine Schwester.«
»Ich werde dich und deinen Freund begleiten«, erklärte sie. »Wenn nötig, kann ich vielleicht helfen, falsche Schritte zu vermeiden.« »Was hat sie gesagt?« erkundigte sich Zakath.
»Sie kommt mit, um zu verhindern, daß wir bedenkliche Fehler machen«, antwortete Garion. »Ein Wolf?«
»Sie ist keine gewöhnliche Wölfin, Zakath. Ich mache mir so meine Gedanken über sie.«
»Ich freue mich, daß sogar ein Welpe so etwas wie Scharfsinn zeigt.« Die Wölfin rümpfte die Nase.
»Danke. Und ich freue mich über die Billigung von so einem lieblichen Wesen.«
Sie wedelte mit dem Schwanz. »Ich muß dich jedoch ersuchen, deine Erkenntnis für dich zu behalten.« »Selbstverständlich«, versprach er. »Worum ging es?« fragte Zakath.
»Um etwas Wölfisches«, erklärte ihm Garion. »Es läßt sich nicht übersetzen.«
Baron Asteilig hatte seine Rüstung ausgezogen und saß in einem wuchtigen Sessel vor dem prasselnden Kaminfeuer. »Es ist leider so, meine Herren Ritter«, sagte er, »Stein bietet guten Schutz gegen Feinde, aber er ist immer kalt, und die Winterkälte hält sich hartnäckig in ihm; so sehen wir uns gezwungen, Feuer zu machen, sogar wenn der Sommer unsere Insel freigebig mit seiner Wärme beschenkt.«
»Wie recht Ihr habt, Baron«, erwiderte Garion. »Selbst die dicken Mauern von Vo Mimbre beherbergen diese bis in die Knochen dringende Kälte.«
»Ihr habt Vo Mimbre gesehen, Herr Ritter?« rief der Baron in ehrfürchtigem Staunen. »Alles, was ich zu eigen habe oder je besitzen werde, würde ich geben, diese sagenhafte Stadt zu sehen. Wie ist sie?«
»Groß, Baron«, antwortete Garion, »und ihre goldenen Steine spiegeln den Sonnenschein wider, als wollte sie sich mit der Pracht des Himmels messen.«
Die Augen des Barons füllten sich mit Tränen. »Welch Gnade mir zuteil wird, Herr Ritter«, preßte er aus zusammengeschnürter Kehle hervor. »Die unerwartete Begegnung mit einem Ritter von solchem Edelmut und solch wundersamer Beredsamkeit ist die Krönung meines Lebens, denn die Erinnerung an Vo Mimbre, die durch die endlosen Jahre hallt, hat uns Kraft gegeben, hier in unserem einsamen Exil. Doch mit jedem Jahr schwindet sie mehr dahin, wie Gesichter von geliebten Dahingeschiedenen sich uns nur noch in Träumen zeigen und immer mehr verblassen, während das grausame Alter uns beschleicht.«
»Baron«, sagte Zakath etwas stockend, »Eure Worte haben mich tief berührt. Wenn ich die Macht habe – und ich habe Macht –, werde ich Euch zu einem etwas späteren Zeitpunkt nach Vo Mimbre bringen und Euch dem Hof vorstellen, damit wir Euch mit Euresgleichen wiedervereinen.«
»Siehst du«, murmelte Garion seinem Freund zu, »es ist ansteckend.«
Der Baron wischten sich unverhohlen die Augen. »Ich sehe hier Euren Hund, Herr Ritter«, wandte er sich an Garion, um seine Verlegenheit zu überwinden, »eine Hündin, wie ich bemerke…« »Ruhig!« warnte Garion die Wölfin. »Ich bin kein Hund!« protestierte sie aufgebracht.
»Sie ist von schlanker, anmutiger Gestalt«, fuhr der Baron fort, »und ihre Augen verraten eine Klugheit, die weit über jene der armen Straßenhunde hinausgeht, von denen es in diesem Königreich unzählige gibt. Würdet Ihr mir sagen, welche Rasse sie ist?« »Sie ist eine Wölfin, Baron«, antwortete Garion.
»Eine Wölfin!« rief der Baron und sprang erschrocken auf. »Wir müssen fliehen, ehe diese furchtbare Bestie uns anfällt und verschlingt!«
Garion fand es zwar als Angeberei, aber da es den Baron beeindrucken mochte, legte er die Hand auf den Kopf der Wölfin und kraulte sie zwischen den Ohren.
»Ihr seid unbeschreiblich mutig!« staunte der Baron.
»Sie ist meine Freundin, Baron«, erklärte ihm Garion. »Wir sind auf eine Art miteinander verbunden, wie Ihr sie Euch nicht vorzustellen vermöchtet.«
»Ich rate dir, damit aufzuhören«, warnte ihn die Wölfin, »oder kannst du eine Hand entbehren?«
»Du würdest es nicht wagen!« rief er und zog hastig die Hand zurück.
»Aber ganz sicher bist du dir
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