Malloreon 5 - Seherin von Kell
nur in Anwesenheit Eures dahingeschiedenen Freundes offenbart werden.«
»Undenkbar, Herr Ritter!« sagte der König entschieden.
»Jene, die Euch diese Wahrheiten offenbaren wird, hat uns versichert, daß diese Euer Leid lindern werden. Erezel war Euer teuerster Freund, und er würde nicht wollen, daß Ihr unnötig leidet.« »Wahrlich«, sagte der König. »Er war ein Mann mit großem Herzen.« »Gewiß«, murmelte Garion.
»Es gibt vielleicht noch einen Grund für Euren Besuch der Kapelle, in der Meister Erezel aufgebahrt ist, Eure Majestät«, fügte Zakath hinzu. »Seine Bestattung ist für morgen angesetzt, wie wir gehört haben. An der Trauerfeier wird Euer ganzer Hof teilnehmen. So bietet Euch diese Nacht die letzte Gelegenheit, in aller Stille von Erezel Abschied zu nehmen und Euch seine geliebten Züge einzuprägen. Mein Freund und ich werden die Tür der Kapelle bewachen, um sicherzugehen, daß Euch niemand bei Eurem letzten Gespräch mit ihm und seinem Geist stört.«
Der König dachte darüber nach. »Mag es denn so sein, wie Ihr sagt, Herr Ritter«, gab er nach. »Obgleich es mir das Herz verkrampfen wird, möchte ich wahrlich sein Gesicht ein letztes Mal erschauen.« Er erhob sich und ging den Freunden voraus aus dem Gemach. Die Kapelle Chamdars, des arendischen Gottes, war durch eine einsame Kerze am Kopfende der Bahre nur schwach beleuchtet. Ein goldfarbenes Tuch bedeckte Naradas Leichnam bis zur Brust, und das Gesicht wirkte gelöst, ja heiter. Bei allem, was Garion über die Schandtaten dieses Grolims wußte, empfand er diese scheinbare friedliche Heiterkeit geradezu als Hohn.
»Wir bewachen die Kapellentür, Eure Majestät«, sagte Zakath, »und lassen Euch allein mit Eurem Freund.« Er und Garion traten zurück auf den Korridor und schlossen die Tür.
»Das war ein sehr geschicktes Manöver von dir«, sagte Garion.
»Du warst auch nicht schlecht, und was zählt, ist, daß wir ihn ohne Schwierigkeiten hierhergebracht haben.«
Sie blieben an der Tür stehen und warteten auf Cyradis und die übrigen. Nach etwa einer Viertelstunde trafen sie ein. »Ist er drinnen?« wandte Belgarath sich an Garion.
»Ja, es war zwar nicht einfach, aber schließlich hat er sich einverstanden erklärt.«
Neben Cyradis stand eine Gestalt ganz in Schwarz, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, anscheinend eine Frau, wahrscheinlich eine Dalaserin, doch das war das erste Mal, daß Garion überhaupt jemanden dieses Volkes in einer anderen Farbe als Weiß gewandet gesehen hatte. »Dies ist die Person, die uns helfen wird«, sagte die Seherin. »Und nun wollen wir uns zum König begeben, denn die Stunde ist nahe.«
Garion öffnete die Tür, und sie traten hintereinander ein. Der König blickte überrascht auf.
»Erschreckt nicht, König von Perivor«, sagte Cyradis zu ihm, »denn wie Eure Streiter Euch verkündet haben, sind wir gekommen, um Euch Wahrheiten zu verkünden, Wahrheiten, die Euer Leid lindern werden.«
»Wir danken Euch für Eure Güte, edle Dame«, erwiderte der König, »doch das ist kaum möglich. Unser Leid kann weder gelindert noch vertrieben werden. Hier ruht Unser teuerster Freund, und Unser Herz liegt auf dieser kalten Bahre mit ihm.«
»Das Blut, das in Euch fließt, Eure Majestät, ist zum Teil auch dalasischen Ursprungs«, erinnerte ihn Cyradis, »und so wißt Ihr, daß viele von uns mit gewissen Gaben gesegnet sind. Es gibt Dinge, auf die jener, den Ihr Erezel genannt habt, Euch nicht aufmerksam machte, ehe er starb. Ich habe eine Person gerufen, die ihn befragen wird, ehe sein Geist in Finsternis versinkt.«
»Ein Nekromant? Wahrhaftig? Wir haben von ihresgleichen gehört, doch waren nie selbst Zeuge, wie diese Kunst ausgeübt wurde.«
»So wißt Ihr auch, daß jene mit dieser Gabe nur genau das zu sagen vermögen, was der Geist offenbart?« »Auch das haben Wir gehört.«
»Ich versichere Euch, daß dies die Wahrheit ist. So wollen wir nun den Geist dieses Erezels erforschen und hören, welche Wahrheiten er uns offenbaren wird.«
Die schwarzvermummte Nekromantin trat zu der Bahre und legte ihre bleichen, schmalen Hände auf die Brust des Hexers.
Cyradis begann die Fragen zu stellen. »Wer seid Ihr?«
»Mein Name war Naradas«, antwortete die Gestalt in Schwarz mit hohler, stockender Stimme. »Ich war Grolim-Erzpriester des Toraktempels von Hemil in Darshiva.«
Der König starrte zunächst Cyradis, dann Naradas' Leichnam in betroffenem Staunen an. »Wem habt Ihr gedient?« fragte
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