Malloreon 5 - Seherin von Kell
aufbewahrt wird, würde ein geschickter Einbruch unser Problem lösen.«
»Und wenn man dich dabei erwischt?« gab Durnik zu bedenken.
»Bitte, Durnik!« sagte Silk entrüstet. »Werde nicht beleidigend.«
»Es wäre vielleicht eine Möglichkeit«, meinte Sammet. »Kheldar könnte jemandem selbst bei geschlossenem Mund die Zähne stehlen.«
»Wir wollen lieber kein Risiko eingehen«, wehrte Polgara ab. »Naradas ist ein Grolim. Er hat die Karte vermutlich mit ein paar Fallen gesichert. Er kennt uns alle, und ich bin überzeugt, daß er sehr wohl über Silks besondere Begabung Bescheid weiß.«
»Müssen wir ihn unbedingt töten?« fragte Eriond bedrückt. »Naradas, meine ich?«
»Ich fürchte, wir haben keine Wahl, Eriond«, antwortete Garion. »Solange er noch lebt, werden wir bei jedem Schritt über ihn stolpern.« Er runzelte die Stirn. »Vielleicht bilde ich es mir nur ein, aber ich habe das Gefühl, Zandramas möchte die Wahl nicht Cyradis überlassen. Wenn sie es verhindern kann, daß wir den Treffpunkt erreichen, gewinnt sie allein deshalb, weil wir nicht erscheinen.« »Eure Überlegung ist nicht ganz falsch, Belgarion«, sagte Cyradis. »Zandramas hat wahrlich alles in ihrer Macht Stehende getan, meine Aufgabe zu vereiteln.« Sie lächelte flüchtig. »Ich gestehe Euch ehrlich, sie hat mir viel Ärger bereitet, und wäre die Wahl zwischen Euch und ihr zu treffen, könnte ich leicht in Versuchung kommen, mich aus Vergeltung gegen sie zu entscheiden.«
»Ich hätte nie gedacht, solche Worte von einer Seherin zu hören«, warf Beldin ein. »Kommt Ihr jetzt etwa gar von Eurem hohen Roß herab?«
Wieder lächelte sie. »Liebenswerter Beldin«, sagte sie voll Zuneigung, »unsere Neutralität ist nicht die Folge einer Laune, sondern der Pflicht – einer Pflicht, die uns auferlegt wurde, lange, ehe selbst Ihr geboren wurdet.«
Da sie den größten Teil des Tages geschlafen hatten, unterhielten sie sich bis tief in die Nacht hinein. Am nächsten Morgen erwachte Garion erfrischt und bereit für die Festivitäten des Tages.
Die Edlen am Hofe von König Oldorin hatten den vergangenen Tag und wahrscheinlich die halbe Nacht damit verbracht, Reden zu entwerfen – lange, blumige und zum größten Teil langweilige Reden zum Lobe »unserer heldenmütigen Streiter«. Durch sein geschlossenes Visier geschützt, nickte Garion immer wieder ein – nicht aus Müdigkeit, sondern aus Langeweile. Einmal hörte er ein leichtes Krachen an der Seite seiner Rüstung.
»Au!« entfuhr es Ce'Nedra, und sie rieb ihren Ellbogen. »Was hast du, Liebes?« »Mußt du dieses ganze Eisen tragen?«
»Ja, das weißt du doch. Was ist in dich gefahren, daß du mich in die Rippen stoßen wolltest?« »Gewohnheit, nehme ich an. Bleib wach, Garion!« »Ich habe nicht geschlafen«, log er. »Ach nein? Warum hast du dann geschnarcht?«
Nach den Ansprachen ließ der König den Blick über die Anwesenden schweifen, die fast alle mit offenen Augen zu schlafen schienen, und ersuchte den »guten Meister Feldegast«, für Stimmung zu sorgen.
Beldin übertraf sich an diesem Tag selbst. Er ging auf Händen, machte erstaunliche Saltos rückwärts, jonglierte mit unbeschreiblicher Geschicklichkeit – und erzählte dabei in seiner seltsamen Feldegast-Mundart laufend Witze. »Ich hoffe, ich konnte auf meine bescheidene Weise etwas zu der Festlichkeit beitragen, Majestät«, beendete er seinen Auftritt, nachdem er sich mehrmals vor den begeistert klatschenden Zuschauern verbeugt hatte.
»Ihr seid wahrlich ein großer Künstler, Meister Feldegast«, lobte ihn der König. »Die Erinnerung an Euren Auftritt wird so manchen düsteren Winterabend in der Burg erwärmen.«
»Ihr seid zu gütig, Eure Majestät.« Wieder verbeugte Beldin sich.
Ehe das Bankett begann, kehrten Garion und Zakath zu ihrer Gemächerflucht zurück, um ein leichtes Mahl zu sich zu nehmen, da sie in der großen Halle nichts essen konnten, ohne die Visiere hochzuschlagen. Als Ehrengäste mußten sie jedoch teilnehmen. »Es hat mir noch nie sonderlichen Spaß gemacht, anderen beim Essen zuzusehen«, sagte Zakath leise zu Garion, nachdem sie ihre Plätze in der Banketthalle eingenommen hatten.
»Wenn du deinen Spaß haben möchtest, dann beobachte Beldin«, riet ihm Garion. »Tante Pol hat gestern nacht ein ernstes Wort mit ihm gesprochen. Sie ermahnte ihn, heute auf seine Manieren zu achten. Du solltest mal sehen, wie er gewöhnlich ißt. Die Anstrengung, sich zu benehmen, dürfte
Weitere Kostenlose Bücher