Malory 09 - Der geheimnisvolle Verführer
klingt, als hätte man Ihnen vorenthalten, dass Katey von sich aus nach England gekommen ist, um ihre Familie zu finden, und dass sie bei ihrem ersten Besuch hier der Tür verwiesen wurde, mit den Worten, sich niemals wieder blicken zu lassen.«
»Nein, Letty hat lediglich zugegeben, sich Ihnen und Ihrem Bruder gegenüber im Ton vergriffen zu haben.«
Sämtliche Augen ruhten jetzt auf Letitia. Die Frau machte jedoch nicht im Geringsten den Eindruck, als schäme sie sich. Vielmehr nahm ihr Gesicht einen störrischen Ausdruck an, als sie anhob, sich zu verteidigen: »Seitdem dein amerikanischer Anwalt, den du dir genommen hast, dir offiziell bestätigt hat, dass Adeline verstorben ist, ging es dir nicht gut. Dreimal warst du seitdem so krank, dass wir den Arzt rufen mussten. Es ist an der Zeit, dass du aufhörst zu trauern. Es bringt dich noch ins Grab! Und sie …« – Letitia deutete mit anklagendem Finger auf Katey – »hätte es nur noch schlimmer gemacht. Sie wird alte Wunden neu aufreißen, und dann …«
»Hör auf«, unterbrach Sophie sie unwirsch. »Ich bin hier nicht diejenige, die an alten Wunden zu knabbern hat. Ich bin nicht diejenige, die Adeline fortgejagt hat. Meine Trauer begann an dem Tag, an dem sie England den Rücken zugekehrt hat.«
Ehe der Streit eskalieren konnte, sagte Katey: »Warum ist sie denn nun weggegangen? Mir hat sie erzählt, Sie hätten sie verstoßen, aber so langsam habe ich den Verdacht, dass es andersherum ist.«
»Wie recht du hast«, sagte Sophie mit einem herzerweichenden Seufzer. »Adeline hat einen Fehler begangen, als sie zu ihrer Schwester ging, um sich Rat wegen des Babys zu holen, statt zu mir zu kommen. Durch den Altersunterschied von sechs Jahren haben sie sich nie besonders nahe gestanden. Zu dem Zeitpunkt ahnte Adeline nicht, dass Letty uns bereits davon überzeugt hatte, dass Sir Anthony sich lediglich auf ihre Kosten amüsierte, während er auf Haverston seine Ferien verbrachte.«
»Ich hatte immer das Gefühl, dass Ihr Gemahl der Ansicht war, ich meine es nicht ernst«, meldete sich Anthony zu Wort. »Dass er sich immer ein wenig über mich lustig machte.«
»Fürwahr. Wir waren der festen Überzeugung, dass Sie sich bald schon langweilen und wieder nach London zurückkehren würden. Dass ein Kind aus der ganzen Geschichte hervorging, schien Lettys Annahme zu untermauern, Sie seien nichts weiter als ein Schwerenöter. Sie ist prompt zu meinem Gemahl Oliver gelaufen, um ihm die Neuigkeiten mitzuteilen. Was dann geschah, trug sich noch in Windeseile am selben Tag zu. Ich hatte nicht einmal mehr die Gelegenheit, Adeline zu versichern, dass ich ihre Entscheidung, egal wie sie ausfiel, mittragen würde. Nie und nimmer hätte ich gedacht, dass sie sich dafür entscheiden würde, ihrem Elternhaus ein für alle Male den Rücken zuzukehren.«
»Aber warum ist sie nie zu mir gekommen?«, erkundigte sich Anthony.
»Das wollte sie ja, daran besteht kein Zweifel. Das war ihre erste Antwort, als Oliver sie von seiner herzlosen Lösung in Kenntnis setzte – dass er sie samt Baby wegschicken und sie es abgeben würde, sobald es das Licht der Welt erblickte. Als sie protestierte, sind mein Mann und meine Tochter vor lauter Verzweiflung und Wut wie die Hyänen über sie hergefallen. Vor allem Letitia hat ihr ein derart schlechtes Gewissen gemacht, dass es an ein Wunder grenzt, wie sie überhaupt zu einer Entscheidung finden konnte. Als sie sagte, sie werde Ihnen einen Besuch abstatten, hat mein Gemahl sie in ihr Zimmer gesperrt. Und Letitia, die so voller Hass gegen Ihre Familie war, ist zu ihr gegangen und hat sie davon überzeugt, dass Sie nie vorhatten, sie zu heiraten, dass Sie sie lediglich benutzt haben. Allem Anschein nach hat Adeline ihr geglaubt.«
»Das stimmt nicht«, sagte Anthony.
»Das ist leider nicht weiter von Bedeutung. Ihre Meinung und ihre daraus resultierende Entscheidung standen fest.«
»Aber ich wollte sie doch zu meiner Gemahlin machen.«
»Haben Sie ihr das gesagt?«
»Nein, aber ich hatte es vor. Ich wusste nur noch nicht, wie ich es ihr sagen sollte. Ich wollte ihr erst nach allen Regeln der Kunst den Hof machen.«
»Und sie verführen«, warf Letitia ein, was ihr einen bitterbösen Blick von Anthony bescherte.
Traurig schüttelte Sophie den Kopf. »Ich fürchte, meinem Gemahl wäre es einerlei gewesen, dass Sie ehrenwerte Absichten hatten. Letitia war Olivers Liebling. Es war eine ihrer leichtesten Übungen, ihn um den Finger zu
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