Malory 09 - Der geheimnisvolle Verführer
ertappt habe. So funktioniert das nun mal nicht,
meine Liebe. Wie sieht denn nun die Wahrheit aus? Kann es sein, dass Sie und Cameron sich getrennt haben und Sie Judy ohne sein Wissen woanders hingebracht haben? Oder hatten sie beide eine Auseinandersetzung und wollten das Lösegeld auf einmal selbst behalten?«
Fassungslos richtete Katey den Blick nach vorn auf die Straße. Auf solche Anklagen würde sie sich erst gar nicht einlassen. »Wenn Sie für einen winzigen Moment Ihren Verstand zurate ziehen würden«, knurrte sie, »würden Sie merken, wie lächerlich Ihre Vorwürfe sind.«
Als Antwort lehnte Boyd sich nach vorn und raunte ihr ins Ohr: »Wenn Sie in meiner Nähe sind, setzt nun mal mein Verstand aus, und es kostet mich unmenschliche Kräfte, Ihnen nicht die Kleider vom Leib zu reißen. Das ist der Grund, warum ich Ihnen kein einziges Wort glaube, Katey Tyler, so leid es mir tut.«
Katey sog scharf den Atem ein. Es waren nicht nur seine Worte, die einen nachhaltigen Effekt auf sie hatten, sondern auch seine Brust, die sich kraftvoll gegen sie drückte, sowie seine Arme, die sie umschlossen, und der heiße Atem, der ihr Ohr streifte. Das Schaudern, das sie erfasste, hatte nicht das Geringste mit der kühlen, herbstlichen Brise zu tun, die ihr ins Gesicht wehte.
Es dauerte einige Minuten, bis sie ihr Verlangen unter Kontrolle hatte und den Mut aufbrachte, ein weiteres Mal das Wort an ihn zu richten: »Wollten Sie mir nicht fernbleiben?«
»Am liebsten schon, aber das geht nun mal nicht, bis wir in London sind.« Er gluckste. »Sobald wir bei den Malorys angekommen sind, wird Judiths Vater sich des Schlamassels annehmen und entscheiden, was mit … Ihnen … geschehen soll.«
Es war nicht nur die Art und Weise, wie er versuchte, den Satz zu Ende zu bekommen, die Katey eine weitere Gänsehaut bescherte. Sie spürte, wie er sich versteifte. So, als wäre er gerade zu einer Erkenntnis gelangt, die im Grunde zu spät kam. Aber hatte er nicht etwas davon gefaselt, dass er keinen klaren Gedanken fassen konnte, wenn er sie sah?
»Was ist los?«, fragte sie, den Blick nach hinten gerichtet. »Haben Sie etwas Wichtiges übersehen? Zum Beispiel, dass Sie gar kein Recht haben, mich irgendwo hinzubringen?«
Statt ihr zu antworten, hing sein Blick an ihren Lippen. »Sie täten besser daran, mir nicht Ihre Lippen zuzuwenden, Katey. Das ist mein Ernst.«
»Ich verstehe«, sagte sie, blickte geschwind wieder nach vorn und hielt das Gesicht in den peitschenden Wind, der nicht nur vom Galopp herrühren konnte. Ein Blick in den Himmel ließ einen schlimmen Sturm erahnen. Wie töricht von Boyd Anderson, bei diesem Wetter durch die Weltgeschichte zu reiten!
»Das ist doch lächerlich«, brummte sie. »Ich wollte ja nach London, aber doch nicht auf dem Rücken eines Pferdes! Ich verlange auf der Stelle, dass Sie mich zu meiner Kutsche und meinem Kutscher zurückbringen. Zudem dürfte meine Magd außer sich sein, wenn sie zurückkommt und mich nicht vorfindet. Und was ist mit meinen Kleidern? Für einen Ritt bin ich gar nicht angemessen gekleidet!«
»Können Sie eigentlich nie still sein?«
»Hören Sie jemals zu, wenn jemand mit Ihnen redet?«, konterte sie. »Mein Kleid ist denkbar ungeeignet. Mein Rock …«
»Klemmen Sie ihn einfach unter die Beine«, sagte er, rutschte näher an sie heran und blickte ihr über die Schulter. »Schöne Schenkel. Genau, wie ich es mir gedacht habe.«
»Können Sie nicht woanders hingucken?«, fuhr sie ihn an, errötete und drückte ihn nach hinten.
»Das versuche ich ja!«
Mein Gott, um ein Haar hätte sie losgelacht. Wenn sie nicht so wütend auf ihn gewesen wäre, hätte sie sich vermutlich amüsiert. Was für ein Draufgänger! Sein Begehren hatte auf der Fahrt nach England greifbar in der Luft geschwebt, wenngleich beide so getan hatten, als existiere es nicht. Die angebliche Tatsache, dass sie vergeben war, hatte als Barriere gedient. Eine Barriere, die heute von unsichtbarer Hand eingerissen worden war. Grund genug für ihn, mit seiner Begierde nicht länger hinter dem Berg zu halten.
Katey klemmte sich den Saum unter die Oberschenkel, was jedoch nur bedingt gegen den Wind half. »Mir ist bis auf die Knochen kalt«, beschwerte sie sich. »Da ich vor Ihnen sitze, bekommen Sie gar nicht mit, wie eisig es geworden ist. Ich brauche auf der Stelle meinen Mantel. Nein, ich will meine Kutsche. Nennen Sie mir einen Grund, warum wir nicht umkehren und in die Kutsche wechseln, wo es
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