Malory 09 - Der geheimnisvolle Verführer
nach Luft. Es klang so – anklagend. »Ehe Sie etwas Unüberlegtes tun, sollten wir Judith befragen«, schlug sie mit ruhiger Stimme vor. »Ich gehe davon aus, dass Sie dem Kind glauben würden, wenn es Ihnen sagte, dass ich Sie von diesen Leuten weggeholt habe, die …«
»Wenn dem so wäre, wäre Jeremy längst wieder hier. Ich war so fair, Ihnen die Gelegenheit zu geben, mit einer plausiblen Erklärung aufzuwarten, doch Sie haben sie ungenutzt verstreichen lassen.«
Jetzt platzte Katey der Kragen. »Tun Sie nur so, als wären Sie schwer von Begriff, oder sind Sie von Natur aus dämlich? Weshalb sollten sie zurückkommen? Judith dürfte ihrem Verwandten längst erzählt haben, dass ich sie gerettet habe. Anders als Sie wird er mich nicht gleich eines Verbrechens bezichtigen, zu dem ich niemals in der Lage wäre. Ich wette, er ist längst im Bilde und geht davon aus, dass Sie ebenfalls die Wahrheit kennen. Weshalb sollte er zurückkommen? Er kann ja nicht ahnen, dass Sie sich wie ein Vollidiot aufführen. Vermutlich geht er vielmehr davon aus, dass Sie sich bei mir für meinen tatkräftigen Einsatz bedankt haben und in Kürze zu ihm stoßen.«
»Sie haben die Nichte meiner Schwester entführt, Jeremys Cousine, und ihre Eltern zwei Tage lang Höllenqualen durchleiden lassen. Jeremy wird keine Sekunde verlieren, sie wieder in den Schoß der Familie zurückzubringen. Kommen Sie.«
Kapitel 12
Als Boyd sie die Treppe herunterzerrte, war Kateys erster Gedanke, dass er sie im Gefängnis abliefern wollte. Er murmelte etwas davon, dass die Behörden sich der Sache annehmen würden und er seinen eigenen Instinkten wohl nicht mehr vertrauen konnte, wenn es um sie ging.
Vor lauter Panik rief sie: »Warten Sie!«, aber es half nichts. Als sie an dem Besitzer des Gasthofes vorbeikamen und Boyd ihm zuraunte, er hätte sie beim Herumschnüffeln in seinem Zimmer erwischt, schnürte es Katey die Kehle zu.
Da Boyd nicht stehen blieb, hatte sie keinerlei Gelegenheit, dem Gastwirt zu erklären, dass nicht sie die Missetäterin war, sondern dass Boyd dabei war, die Grenzen des Gesetzes zu übertreten. Wenig später kamen sie bei seinem Pferd an, das vor der Tür festgebunden war.
Nachdem er sie unsanft in den Sattel befördert und im Zuge dessen für den Bruchteil einer Sekunde von ihr abgelassen hatte, wollte sie gerade auf der anderen Seite des Pferdes wieder herunterrutschen, als er sich hinter sie setzte und die Zügel in die Hände nahm, sodass sie zwischen seinen kräftigen Armen gefangen war.
Aus den Tiefen ihrer Seele schoss unbändige Wut empor. Dickköpfiger, ungehobelter Ich-weiß-alles-besser-Tyrann!, schrie sie innerlich. Und sie hatte sich eingebildet, etwas für ihn zu empfinden! Wie oft war sie auf der Überfahrt versucht gewesen, ihm die Wahrheit zu sagen, ihm anzuvertrauen, dass sie gar nicht verheiratet war. Ha! Wie gut, dass sie sich auf die Zunge gebissen hatte!
Etwas, das ihr jetzt nicht gelingen sollte. »Das hätten Sie gleich zu Beginn tun sollen«, schrie sie ihn an, »statt mich gegen meinen Willen festzuhalten. Wundern Sie sich nicht, wenn Sie letzten Endes derjenige sind, der im Gefängnis landet, Mister Aufschneider. Wenn ich dem Wachtmeister erst erzählt habe, dass Sie mich im Gasthof gefangen gehalten, misshandelt und fälschlicherweise eines Verbrechens beschuldigt haben, das ich nicht begangen habe, werden wir ja sehen, wer zuletzt lacht.«
»Umso wichtiger, dass wir uns jetzt schnell auf den Weg machen.«
Er klang vergnügt. Wenn Katey ein wenig besser achtgegeben hätte, wäre ihr längst aufgefallen, dass er nicht stadtein-, sondern stadtauswärts galoppierte. Als der Groschen endlich gefallen war, legte sie die Stirn in Falten.
»Wo bringen Sie mich eigentlich hin?«
»Nach London. Wie Sie es vorgeschlagen haben«, antwortete er ihr.
Wieder einmal schnappte Katey nach Luft. »Ich habe nie gesagt, wir sollen nach London reiten. Vielmehr habe ich vorgeschlagen, dass wir Judith finden sollten.«
»Sie wird zu Hause sein. Wie ich bereits sagte, wird Jeremy keine Zeit verlieren, sie zu ihren Eltern zu bringen. Wegen des gewaltigen Vorsprungs dürften sie bald ankommen.«
»Mein Gott, ich fasse nicht, zu welchen extremen Mitteln Sie bereit sind zu greifen!«, rief sie voller Empörung aus. »Sie mussten doch nichts weiter tun, als mir zuzuhören.«
»Das habe ich«, antwortete er gereizt, »aber Sie pochen ja nach wie vor auf Ihrer Unschuld, und das, obwohl ich Sie auf frischer Tat
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