Malory 09 - Der geheimnisvolle Verführer
leid, Yank.«
Boyd grinste schwach. »Schon gut, ich bin es ja gewohnt.«
»Zurück zu den grundlegenden Dingen«, sagte James. »Sobald du dir sicher sein kannst, dass sie für dich Gefühle hegt, die über Mordgelüste hinausgehen, kannst du dich daran machen, ihre Vorbehalte Stück für Stück zum Einsturz zu bringen, was in deinem Fall aber eine Weile dauern dürfte, wenn man eure Vorgeschichte bedenkt. Brich es also nicht übers Knie. Scharfsinn ist gefragt.«
»Und Augenkontakt«, fügte Anthony hinzu. »Es ist erstaunlich, was man mit Blicken erreichen kann. Die Kraft der Augen ist stärker als die der Worte.«
»Aber halt deine Augen über Wasser, wenn du weißt, was ich meine«, ergänzte James. »Eine Frau schätzt es nicht, wenn Männer ihr auf die Brüste starren. Aus irgendwelchen Gründen empfinden sie das als Beleidigung.«
»Das habe ich auch nie verstanden, aber er hat recht«, schob Anthony nach.
Boyd fragte sich allmählich, ob er sich Notizen hätte machen sollen, doch dann sagte James: »Wie wäre es mit einer Demonstration?«
»Wovon?«
»Davon, ob du fähig bist, einer Frau mit deinen Blicken zu imponieren. Aber vergiss nicht, es darf nicht zu auffällig sein.«
Boyd fühlte sich augenblicklich unwohl bei dem Vorschlag, gab sich jedoch einen Ruck – und erntete schallendes Gelächter der beiden Malory-Brüder. Es kam sich vor, als hätten die beiden ihm einen üblen Streich gespielt. Er wollte gerade flüchten, ehe er sich vergaß. Er hätte gleich wissen müssen, dass es keine gute Idee war, die beiden ins Vertrauen zu ziehen.
James hatte sich als Erster wieder beruhigt. »Zeig ihm, wie man es am besten macht, Tony.«
»Er ist nicht mein Typ«, antwortete Anthony, was ihm einen unbeugsamen Blick seines Bruders einbrachte. »Na gut«, fügte er sich schließlich.
Es dauerte einen Augenblick, bis Anthony sich gefangen hatte, ehe Boyd eine Kostprobe davon bekam, was eine Londoner Lady erlebt hatte, wenn Tony es auf sie abgesehen hatte. Jetzt verstand er endlich, wie die beiden zu ihrem legendären Ruf als unwiderstehliche Verführer gekommen waren. Mit Charme allein ließ sich der Blick, den Anthony aufsetzte, nicht beschreiben.
Jetzt, wo er sicher war, dass sie sich keinen Scherz mit ihm erlaubten, murmelte er: »Er hat schon von Natur aus bemerkenswerte Augen. Kein Wunder, dass er damit Erfolg hat.«
»Das stimmt«, pflichtete James ihm bei. »Aber das heißt noch lange nicht, dass wir anderen hoffnungslose Fälle sind. Versuch du es noch einmal, Bursche, und stell dir dieses Mal vor, Miss Tyler stünde vor dir.«
Keine besonders schwere Aufgabe, da Katey Tyler ihm stets irgendwo im Kopf herumschwirrte. Im Nu sah er sie vor sich, ihre wunderschönen smaragdgrünen Augen, ihre Grübchen, die ein Lächeln andeuteten, das es gar nicht gab, ihre Haut, die aussah, als fühle sie sich wie Seide an, die vollen Lippen, der lange schwarze Zopf, den er gern unter seinem Gürtel feststecken würde, ihre betörenden Rundungen, ihre …
»Beim Allmächtigen«, riss James ihn aus den Gedanken. »Du kannst sie erst bezirzen, wenn du es geschafft hast, deine Lüsternheit zu überwinden. Wenn du ihr solche Blicke wie eben zuwirfst, kannst du von Glück reden, wenn dein Schiff nicht den Flammen zum Opfer fällt und untergeht.«
Anthony gluckste. »Was soll ich sagen? Entweder man hat es, oder man hat es nicht.« Er warf James ein anzügliches Grinsen zu, während er sprach, was den blonden Malory zu einem wütenden Schnauben veranlasste. An Boyd gewandt, schlug Anthony vor: »Du musst fleißig üben, Yank. Von mir aus auch mit einem Spiegel. Es ist die Mühen wert. Die Schlacht ist gewonnen, sobald es dir gelingt, die Dame, auf die du es abgesehen hast, in Erregung zu versetzen, ehe du sie überhaupt berührt hast.«
»Zurück zur Gesamtstrategie«, sagte James nachdenklich. »Gesetzt den Fall, dass du wirklich darüber nachdenkst, dich häuslich niederzulassen und in den Hafen der Ehe einzulaufen, solltest du es sie wissen lassen, dass du der Idee nicht abgeneigt bist. Aber übertreib es nicht. Überrumple sie nicht mit deiner Neu-England-Freimütigkeit. Gib ihr Zeit, sich davon zu überzeugen, dass du mehr als voreilige Schlüsse zu bieten hast.«
»Sie ist doch ebenfalls Neu-Engländerin«, rief Boyd ihm in Erinnerung. »Ist euch nicht aufgefallen, dass sie auch nie ein Blatt vor den Mund nimmt?«
James lachte. »Du meinst, weil sie ohne Umschweife die Rede auf das Schiff gebracht
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