Malory 09 - Der geheimnisvolle Verführer
Reisepläne beeinflusst, wie gesagt zu wenig Beachtung geschenkt. Ich würde mich gern auch bei Roslynn erkenntlich zeigen – vorausgesetzt, sie erlaubt es.«
»Es ist mir einerlei, wohin Sie segeln möchten, Katey«, sagte Boyd, »aber Sie sollten Georginas Anregung nicht in den Wind schlagen. Es ist mit Sicherheit erquickender, den europäischen Nationen im Frühjahr und im Sommer einen Besuch abzustatten. Es gibt eine Menge wärmerer Länder, zwischen denen Sie während der Wintermonate wählen können, ehe Sie im Frühjahr zurückkehren.«
»Sie haben recht. Es leuchtet ein, erst Länder mit wärmerem Klima zu besuchen und sich den Norden für später aufzusparen.«
»Wie viel Zeit hatten Sie eigentlich für Ihre Reise veranschlagt?«, erkundigte sich James neugierig.
»So lange es eben dauert, die Welt zu bereisen.«
Was für eine bemerkenswerte Aussage. Aber verdammt, das konnte bedeuten, dass Boyd entweder jahrelang im siebten Himmel schweben oder tagtäglich durch die Hölle gehen würde.
Kapitel 27
»Na, in welchem Loch haben wir uns denn verkrochen?« Boyd war soeben vom Hafen zurückgekehrt, wo er den Großteil des Nachmittags mit seinem Kapitän Tyrus Reynolds verbracht hatte, um die Oceanus seetauglich zu machen, damit sie am nächsten Tag auslaufen konnte.
James' Bemerkung war wohl aus der Not heraus entstanden, weil Boyd einen bedrückten Eindruck machte. Er wusste einfach nicht, was er von der ganzen Sache halten sollte. So viel Zeit mit Katey auf so engem Raum zu verbringen, war gewiss eine wahre Herausforderung, vor allem, weil Katey Tyler so vollkommen anders war als andere Frauen in ihrem Alter. Deshalb wusste er auch nicht, wie er sich ihr nähern sollte. Statt darüber nachzudenken, wo sie wohnen und ob sie eine Familie gründen wollte, reiste sie in der Weltgeschichte herum. Statt sich einen Ehemann zu suchen, behauptete sie, längst unter der Haube zu sein, um sich Verehrer vom Leib zu halten. Verdammt, in ihrem Alter sollte sie längst verheiratet sein, aber dem war nicht so, und sie schien zu allem Übel auch keine Anstalten zu machen, dies in absehbarer Zeit nachzuholen.
Wenn Boyd nicht so abgelenkt gewesen wäre, hätte er niemals einen Raum betreten, in dem sich lediglich James und Anthony Malory befanden. Er war sich nicht sicher, ob er James' abfälligen Bemerkungen gewachsen war, ganz zu schweigen von Anthonys. Die beiden Brüder sprangen einander häufig und gerne mal an die Kehle – es sei denn, es befand sich ein gemeinsamer Feind in ihrer Nähe. Dann verbündeten sie sich. Nicholas Eden, der ihre Lieblingsnichte geheiratet hatte, war ein beliebtes Opfer. Genau wie jeder Anderson, mit Ausnahme von Georgina.
Aber Boyd brauchte dringend jemanden, mit dem er über seine missliche Lage reden konnte. Sehr zu seinem Leidwesen weilte keiner seiner Brüder zurzeit in England. Es verstand sich von selbst, dass er mit seiner Schwester über ein solch heikles Thema nicht sprechen konnte. Wenn es jemanden gab, der ihn verstand, dann diese beiden – zwei stadtbekannte Draufgänger. Sie hatten vermutlich mehr Frauenzimmer herumgekriegt als die meisten Männer, und das in Stellungen, von denen die meisten ihr Leben lang träumten.
So kam es, dass Boyd sich auf das nächste Sofa fallen ließ und sagte: »Das Loch möchtest du gar nicht kennenlernen. Schon auf der Überfahrt nach England hat sie mich an den Rand des männlichen Wahnsinns getrieben.«
Anthony war Boyds »Schiffsvermietung« an Katey bereits zu Ohren gekommen, und er sagte trocken: »Und jetzt begibst du dich wieder an Bord mit ihr? Kluger Schachzug.«
»Selbst für einen Yank ziemlich impulsiv«, fügte James hinzu.
»Welche Alternative habe ich? Ich stehe nicht nur tief in ihrer Schuld, weil ich mich in Northampton in die Nesseln gesetzt habe, ich begehre sie.«
»Das, mein Junge, ist dir an der Nasenspitze anzusehen«, merkte James an. »Immer, wenn du in ihrer Nähe bist, benimmst du dich wie ein liebestoller Köter.«
Boyd zuckte zusammen und ging zur Verteidigung über: »Glaubt ihr, das ist mir nicht bewusst? Wenn ich könnte, würde ich es abstellen, das schwöre ich euch. Deshalb habe ich mich ja auch erst in Schwierigkeiten gebracht. Mein Urteilsvermögen, was ihre Mitwirkung an Judiths Entführung anging, war außer Kraft gesetzt. Ich konnte an nichts anderes denken als an sie.«
»Klingt, als wäre er verliebt, findest du nicht auch?«, meinte Anthony an seinen Bruder gewandt.
»Bis über beide
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