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Malory

Malory

Titel: Malory Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 04. Wer die Sehnsucht nicht kennt
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Pritsche und ein paar groben Wolldecken, einer Laterne – Fenster gab es nicht –, einem Eimer für die Not-durft und dem nun leeren Schrankkoffer, in dem man sie her-transportiert hatte. Kein Wunder also, daß sie nicht eben bei guter Laune war.
    Trotzdem glaubte sie fest daran, entwischen zu können, solange das Schiff nicht plötzlich in See stach. Sie hatte sich schon einen Plan zurechtgelegt, den sie in die Tat umsetzen wollte, wenn man ihr das nächste Mal das Essen bringen würde.
    Die erste Mahlzeit, eine Schüssel mit Reis und exotischen Gemüsen in einer scharfen, süßen Sauce, hatte ihr ein freundlicher kleiner Bursche namens Taishi Ning gebracht. Er war ein spindeldünner Kerl in flatternden Hosen, dazu trug er einen gewickelten Kittel, der von einem Gürtel gehalten wurde, und einen dicken schwarzen Zopf, der fast so lang war wie er selbst. Ebenso wie Li Liang war auch er nicht größer als Amy, und es konnte doch sicher nicht so schwierig sein, ihn mit Hilfe ihrer Reisschüssel zu überwältigen.
    Aber während sich die Stunden dahinschleppten, kamen Amy Bedenken, ob sie überhaupt die Chance bekommen wür-de, es auszuprobieren. Sie hatte sich, als sie gewaltsam in den Koffer gesperrt worden war, mit Händen und Füßen gewehrt und dabei ihre Geldbörse verloren. Ihre Taschenuhr aber besaß sie noch, und so stellte sie fest, daß schon viel zu lange niemand mehr nach ihr gesehen hatte. Sie würden ihr doch hoffentlich weiterhin zu essen geben? Oder wollte man sie hungern lassen und so zum Reden bringen?
    Erst gegen Abend öffnete Taishi schließlich die Tür und brachte ihr eine weitere Schüssel mit Reis und Gemüse. Hungern stand also nicht auf dem Programm – wenigstens noch nicht. Amy aber interessierte sich trotz ihres knurrenden Magens nicht für das Essen. Weitaus interessanter fand sie die Tatsache, daß kein zweiter Wächter vor der Tür zu sehen war.
    Anscheinend glaubten sie, das Türschloß genüge, um sie festzuhalten, und daß sie nicht versuchen würde, Taishi anzugreifen. Aber da irrten sie sich gewaltig.
    Es tat ihr fast leid denn er war eigentlich ein netter Kerl mit seinem breiten Grinsen und seinem holprigen, unbeholfenen Englisch. Doch dadurch durfte sich Amy jetzt nicht von ihrem Entschluß abbringen lassen. Auch wenn er nicht derjenige war, der sie hierher verschleppt hatte, so steckte er doch mit dem Entführer unter einer Decke. Hier heraus und heil nach Hause zu kommen, das mußte ihr oberstes Ziel bleiben. Sie würde einfach die Augen schließen, wenn sie ihm mit der schweren Reisschüssel auf den Kopf schlug, und sich hinterher entschuldigen.
    »Schauen, was Taishi kleiner Miss bringen. Viel gute Sachen. Wenn du nicht mögen, ich hacken Koch Finger ab.
    Versprochen.«
    »Das wird bestimmt nicht nötig sein«, erwiderte Amy. »Aber ich bin noch nicht hungrig genug, um es zu prüfen. Stellen Sie es dort unten hin.«
    Sie deutete auf den Koffer, während sie mit der anderen Hand die leere Reisschüssel hinter ihrem Rücken umklammert hielt. Er befolgte ihre Anweisung. Nun mußte sie nur noch rasch hinter ihn treten. Ein Kinderspiel.
    Amy hielt den Atem an, als Taishi ihr jetzt den Rücken zukehrte und sich bückte; sie hob die Reisschüssel, schloß die Augen und ... Bevor die Schüssel ihr Ziel erreichte, wurde sie an den Handgelenken gepackt und durch die Luft geschleudert. Unsanft landete sie auf dem Hintern.
    Amy war zwar nicht verletzt, dafür aber völlig benommen.
    Als sie sich nach dem dürren Wicht umdrehte, sah sie, daß er nicht einmal die neue Reisschale hatte fallen lassen. Und mit einem breiten Grinsen sah er sie an.
    »Wie zum Teufel haben Sie das gemacht?« fragte sie wütend.
    »Leicht. Du wollen lernen?«
    »Nein ... will ... ich ... nicht!« keuchte sie und rappelte sich mühsam wieder hoch. »Was ich will? Ich will nach Hause!«
    »Mir leid tun, Miss. Wenn Mann kommen, vielleicht, vielleicht auch nicht.« Er hob die Schultern, um anzudeuten, daß er nicht wußte, was mit ihr geschehen würde.
    »Aber Mann – Warren – kommt nicht.«
    »Lord Yat-sen sagen, er kommt, er kommt«, beharrte Taishi.
    »Du nicht müssen fürchten.«
    Amy schüttelte verzweifelt den Kopf. »Wie soll er kommen, wenn er nicht weiß, wo ich bin, nicht einmal, daß ich vermißt werde? Dein Lord Yat-sen ist ein Idiot!«
    »Pst, oder Miss verlieren Kopf«, sagte Taishi mit einem Anflug von Panik in den Augen.
    »Unsinn«, zischte sie. »Niemand wird wegen einer kleinen Beleidigung

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