Malory
geköpft. Und jetzt geh, ich will allein sein und über meinen Fehlschlag nachdenken.«
Taishi entblößte die Zähne zu einem weiteren Grinsen. »Du viel komisch, Miss.«
»Raus, oder ich viel schreien!«
Er ging, noch immer grinsend. Als er schon an der Tür war, rief Amy ihm nach: »Tut mir leid daß ich Ihnen die Schüssel auf den Kopf schlagen wollte. Das galt nicht Ihnen persönlich.«
»Keine Angst, Miss. Mann kommen bald.«
Als er die Tür verriegelt hatte, warf sie wütend die leere Reisschale dagegen. Bald kommen? Wo sie doch kein einziges Wort gesagt hatte, wie sie ihn finden könnten? Sie waren alle Idioten.
Und selbst wenn sie einen Weg gefunden hatten, um ihn aufzuspüren, würde Warren ihr nicht zu Hilfe kommen. Er wäre froh, daß man sie entführt hatte und daß er sie los war.
Was also nun? Die kleinen, hinterlistigen Männer anzugreifen war sinnlos. Sie hätte die brennende Laterne gegen das Spant schleudern sollen, als die Tür offen gewesen war, aber hätte sie darauf vertrauen können, daß Taishi – trotz seines freundlichen Grinsens – die Tür nicht von außen verrammelt und sie drinnen hätte schmoren lassen, statt sie laufen zu lassen und das Feuer zu löschen?
Ihr erster Plan war zweifellos ein völliger Reinfall gewesen.
Doch deshalb würde sie nicht gleich die Flinte ins Korn werfen. Gut, sie war also nicht in der Lage gewesen, Taishi zu überwältigen. Nicht nur seine Art zu sprechen war komisch, auch seine Art zu kämpfen. Aber vielleicht könnte sie ihm davonlaufen. Möglich, daß sie nur bis auf Deck käme, aber ein lauter Schrei könnte Hilfe bringen – oder auch nicht. Es würde von der Tageszeit und von der Lage des Schiffes im Hafen abhängen. Aber wie auch immer, sie wollte es versuchen, wenn ihr die nächste Mahlzeit gebracht wurde.
Kapitel 29
Es hieß immer, Warren sei der einzige Hitzkopf in der Familie, aber als Georgina um fünf Uhr nachmittags mit den Fäusten an die Tür von Warrens Hotelzimmer trommelte, stand sie ihm an Hitzigkeit nicht nach. Sie war heute schon zweimal hier gewesen. Sie war schon dreimal im neuen Skylark-Büro gewesen.
Und sie war zweimal auf der Nereus gewesen, aber niemand hatte ihn gesehen. Selbst zur Knighton’s Hall hatte sie sich fahren lassen, ohne sie allerdings selbst zu betreten. Das hatte James für sie übernommen.
James hatte sie übrigens den ganzen Tag begleitet. Er hatte sich einfach nicht abwimmeln lassen. Amy war schließlich ein Mitglied seiner Familie, und er wollte derjenige sein, der Warren in der Luft zerfetzte, sobald Georgina mit ihm fertig war. Das hatte er, schäumend vor Wut, immer wieder vor sich hingemur-melt. Für Georgina war es gewiß kein Vergnügen gewesen, den ganzen Tag mit ihm kreuz und quer durch London zu fahren.
Und wenn nun auch dieser Versuch wieder vergeblich war ...
Diesmal aber wurde die Tür geöffnet, und Georgina stürm-te hinein. »Wo zum Teufel bist du gewesen, Warren – und wo ist Amy?«
Sie sah sich rasch im Zimmer um, fand jedoch von Amy keine Spur. Georgina ging geradewegs zum Bett und schaute darunter nach. Warren sah ihr fast belustigt zu.
»Sie machen hier unter den Betten gründlich sauber, Georgie«, meinte er trocken. »Auch die Fenster sind tadellos geputzt. Wenn du dich überzeugen willst.«
Sie aber eilte statt dessen zum Schrank. »Spiel nicht den Begriffsstutzigen«, knurrte sie. Der Schrank aber enthielt nichts als Warrens Kleidungsstücke. Sie drehte sich um und warf ihrem Bruder einen durchdringenden Blick zu. »Amy?
Erinnerst du dich an sie?«
»Sie ist nicht hier.«
»Wohin hast du sie dann geschafft?«
»Ich habe sie die ganze Zeit nicht gesehen und alles Men-schenmögliche getan, um sie mir vom Leibe zu halten«, entgegnete Warren. Dann bedachte er James mit einem leicht spöttischen Blick. »Was ist los, Malory? Zweifelst du an meinem Wort?«
Georgina warf sich sogleich zwischen die beiden. »Ich rate dir, Warren, reize ihn nicht«, sagte sie warnend.
James’ hartnäckiges Schweigen sagte ihm, daß irgend etwas nicht in Ordnung war. Und wenn es mit Amy zu tun hatte ... Warren wurde leicht mulmig zumute.
»Willst du sagen, Amy ist verschwunden?«
»Ja, und wahrscheinlich seit gestern abend.«
»Warum gestern abend? Sie könnte doch auch heute früh fortgegangen sein.«
»Das habe ich zunächst auch gedacht«, antwortete Georgina, »aber das ist sehr unwahrscheinlich, weil sie mir normalerweise immer sagt, wohin sie geht.«
»Auch wenn sie mich
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