Malory
Vater. Als erste traf er allerdings auf Molly. Das war keine Überraschung.
Molly schien immer zu wissen, wann er zu Besuch kam, und schaffte es immer, ihn als erste zu Hause zu be-grüßen. Das war eine so feste Gewohnheit geworden, daß es ihm seltsam vorgekommen wäre, wenn er sie bei einem seiner Besuche nicht angetroffen hätte.
Molly
Fletcher
war
eine
außergewöhnlich
hübsche
Frau in mittleren Jahren mit aschblondem Haar und großen braunen Augen, die sich von einer Dienstmagd bis an die Spitze der Dienstbotenhierarchie hochgear-beitet hatte und jetzt schon seit zwanzig Jahren Haushälterin auf Haverston war. Sie hatte sogar in all den Jahren hart daran gearbeitet, ihren Cockney-Akzent zu verlieren, der ihr, wie Derek sich erinnerte, noch ange-haftet hatte, als er ein Kind war, und strahlte jetzt eine ruhige Würde aus, die einer Heiligen angestanden hätte.
Wie jede andere Frau im Haus, von der Köchin bis zur Wäscherin, hatte Molly Derek und Reggie immer sehr mütterlich behandelt, ihnen Ratschläge erteilt, sie in Schutz genommen, sie ausgescholten und sich um sie gesorgt.
Das lag natürlich hauptsächlich daran, daß nie eine wirkliche Mutter dagewesen war, als die beiden Kinder eine gebraucht hätten. Jason hatte zwar seine Pflicht getan und seine Frau Frances aus eben dem Grund, den beiden Rangen eine Mutter zu geben, geheiratet, aber leider wurde nicht das daraus, was er sich vorgestellt hatte.
Lady Frances erwies sich als kränklich und war weitaus häufiger zur Kur in Bath als zu Hause. Sie war wohl eine recht nette Frau, wenn auch ein bißchen nervös, aber eigentlich kannte niemand in der Familie sie besonders gut.
Derek hatte sich oft gefragt, ob wenigstens Jason gut mit ihr auskam, oder ob sie ihm gleichgültig war. Als Paar paßten sie nicht besonders gut zusammen, die dünne, bleiche, nervöse Frances und der große, robuste und imposante Jason. Derek konnte sich auch nicht daran erinnern, daß zwischen den beiden jemals ein zärtliches Wort gefallen wäre. Es ging ihn ja auch nichts an, aber es tat ihm wegen seines Vaters immer ein bißchen leid.
Molly war leise hinter Derek getreten, als dieser in das leere Arbeitszimmer seines Vaters blickte. Bei ihrem
»Willkommen zu Hause, Derek«, war er zusammengezuckt, hatte sich aber sofort umgedreht und ihr ein liebevolles Lächeln geschenkt.
»Morgen, Molly, meine Liebe. Du weißt wahrscheinlich nicht, wo mein Vater sich zu dieser frühen Stunde herumtreibt?«
»Aber sicher«, antwortete sie.
Wenn er so darüber nachdachte, so wußte sie immer und jederzeit, wo jeder im Haus war. Derek hatte keine Ahnung, wie sie das bewerkstelligte, so groß, wie das Haus war, und bei den vielen Bediensteten, aber irgendwie gelang es ihr trotzdem. Vielleicht lag es einfach nur daran, daß sie wußte, wo jeder sein sollte, und daß niemand es wagte, sich anderswo aufzuhalten, ohne es ihr zu sagen. Sie hatte eben den ganzen Haushalt ruhig und fest im Griff.
»Er ist im Gewächshaus«, teilte sie ihm mit. »Er hat Probleme mit seinen Winterrosen, weil sie nicht nach seinem Zeitplan blühen – das hat der Gärtner mir gesagt«, fügte sie lächelnd hinzu.
Derek schmunzelte. Gartenpflege war eins der Hobbys seines Vaters, und er nahm es sehr ernst. Er würde bis nach Italien fahren, wenn es um eine neue Pflanzensorte ginge, die er vielleicht für seinen Garten erwerben könnte.
»Weißt du vielleicht auch, warum er mich hierherbe-stellt hat?«
Molly schüttelte den Kopf. »Nein, wirklich, warum sollte er mich in seine persönlichen Angelegenheiten einweihen?« neckte sie ihn zärtlich. Dann zwinkerte sie und flüsterte ihm zu: »Aber ich kann dir zumindest sagen, daß er sich diese Woche über nichts Besonderes aufgeregt hat – abgesehen von seinen Rosen.«
Derek grinste erleichtert und widerstand dem Bedürfnis, sie zu umarmen — allerdings nur fünf Sekunden lang. Sie stöhnte unter seinem festen Griff und sagte: »Laß das!
Was sollen die anderen Dienstboten denken!«
Er lachte und gab ihr einen Klaps auf den Po. Aber als er durch die Halle schlenderte, rief er so laut, daß ihn das ganze Personal im Umkreis von fünfzig Metern hören mußte: »Und dabei habe ich gedacht, es sei eine altbekannte Tatsache, daß ich dich wie verrückt liebe, Molly! Aber wenn du darauf bestehst, mache ich natürlich ein Geheimnis daraus!«
Sie errötete vor Zorn, mußte dann aber doch über ihn lächeln. Ihre braunen Augen verrieten mehr Liebe zu dem
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