Malory
ihm sein Fauxpas auch schon aufgefallen. Schließ-
lich war Derek unehelich, und jeder, der die Malorys kannte, wußte das.
Jason blickte Derek finster an und schoß, wie es seine Art war, gleich zurück. »Übrigens, wer war denn das Mädchen, das du ins Londoner Haus gebracht hast?«
Derek verdrehte die Augen. Er fand es immer wieder erstaunlich, wie sein Vater von Dingen erfuhr, die er nicht wissen sollte, und vor allem, wie schnell er sie erfuhr.
»Nur jemand, der Hilfe brauchte.«
Jason schnaubte. »Ich habe widersprüchliche Informationen bekommen. Hanly bezeichnete sie als Hure, Hershal nannte sie eine Dame. Was stimmt denn nun?«
»Eigentlich keins von beidem. Sie hat eine gute Erziehung genossen, wahrscheinlich besser als die meisten Ladies, aber sie ist nicht von Adel.«
»Hat einfach nur dein Interesse geweckt?«
Von einfach konnte gar keine Rede sein, aber Derek wollte seinen Vater lieber nicht aufklären, deshalb sagte er so gleichgültig wie möglich: »Ja, so in der Art.«
»Du wirst sie bestimmt nicht mehr in unser Haus bringen?«
»Natürlich nicht. Ich gebe zu, daß das nicht sehr klug von mir war. Aber wirklich, Vater, du brauchst dir wegen ihr gar keine Gedanken zu machen. Du wirst nie wieder etwas von ihr hören.«
»Die Dienstboten sollten nie wieder etwas von ihr hören, weder in London noch hier. Unsere Familie hat genug Anlaß für Gerüchte gegeben, genug für mehrere Generationen. Wir brauchen keinen weiteren Klatsch.«
Derek nickte zustimmend. Schließlich hatte er, abgesehen von seiner unehelichen Geburt, seine Affären immer so diskret behandelt, daß er nie in irgendeinen Skandal verwickelt gewesen war. Darauf war er selbst ungeheuer stolz. Und er beabsichtigte, es auch in Zukunft dabei zu belassen.
13
Derek fuhr gar nicht mehr nach Bridgewater zurück. Er hatte den Rest des Tages in Haverston mit seinem Vater verbracht und war am nächsten Morgen nach London aufgebrochen. Dort hatte er seine Post durchgesehen und einen langen Brief an Bainsworth verfaßt. Und dann begann er nach einem Haus zu suchen, das er für Kelsey mieten konnte.
Es wäre viel einfacher gewesen, wenn er damit zu seinem Onkel Edward hätte gehen können. Edward besaß Mietshäuser in ganz London und hätte bestimmt etwas Passendes für Derek gefunden. Aber Edward hätte ihn auch gefragt, wozu er es brauchte, und das wollte er nicht gerade dem Onkel auseinandersetzen, der seinem Vater am nächsten stand. Bei seinen anderen beiden Onkeln wäre das kein Problem gewesen. Sie hätten ihn sofort verstanden, schließlich hatten sie selbst zahllose Mätressen ausgehalten – zumindest, bis sie verheiratet waren. Edward jedoch war ein häuslicher Mann, war es immer gewesen.
Leider besaßen seine Onkel Tony und James keine Mietshäuser in der Stadt. Diejenigen, die ihnen gehörten, hatten sie Edward zur Verwaltung überlassen, weil er
das
gesamte
Familienvermögen
verwaltete.
Also
mußte Derek auf normalem Weg nach etwas Passendem suchen, mußte durch die Stadt laufen und sich Häuser ansehen, die entweder zu groß, zu teuer oder zu repara-turbedürftig waren. Als er endlich gefunden hatte, was er suchte, war es nur noch einen Tag bis zur Hochzeit seiner Kusine Amy. Deshalb konnte er auch jetzt nicht nach Bridgewater zurückfahren, sondern mußte weiter in der Stadt bleiben.
Andererseits gab es jedoch keinen Grund, Kelsey noch länger auf dem Land warten zu lassen, nachdem er einen
Mietvertrag
über
sechs
Monate
unterzeichnet
hatte und das Haus sofort bezogen werden konnte. Er brauchte lediglich noch ein paar Dienstboten, die sie sich
jedoch
sowieso
selbst
aussuchen
sollte.
Also
schickte er seinem Kutscher eine Nachricht, er möge sie in die Stadt bringen.
Er brannte vor Ungeduld, sie wiederzusehen, und wollte daher nicht bis nach Amys Hochzeit warten, um sie selbst abzuholen. Auf diese Art wäre sie schon am nächsten Abend in der Londoner Wohnung, und sie könnten ihre intime Beziehung einen Tag früher aufnehmen.
Es kam nicht häufig vor, daß sich alle Malorys zur gleichen Zeit unter demselben Dach befanden. Sogar die beiden jüngsten Mitglieder der Familie, James’ und Georginas Tochter Jacqueline, und Anthonys und Roslynns Tochter Judith waren im Obergeschoß untergebracht, so daß ihre Mütter nicht nach Hause mußten, um sie zu versorgen. Auch Reggies Sohn war dort oben; allerdings war er schon alt genug, um alleine zu essen.
Reggie überschaute die immer größer werdende
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